TZ, 19.02.2008
Der Münchner Startenor Jonas Kaufmann im tz-Gespräch
Jetzt kommt er nach Hause
Jonas Kaufmann, Münchner Tenor mit Sitz in Zürich (noch), 38, internationaler Top-Sänger. Am Sonntag gibt er einen Arienabend im Herkulessaal, und der ist rappelvoll. Doch Kaufmann kommt wieder - und das nicht zu knapp. Wir sprachen mit dem Sänger.

Der Herkulessaal ist voll - und das mit einem Arienabend. Das passiert eigentlich nie. Dürstet Deutschland nach einem neuen einheimischen Sängerhelden?
Jonas Kaufmann: "Das sieht ein bisserl so aus. Ich war selbst überrascht, das können Sie mir glauben."

Die Staatsoper hatte Sie ja verschlafen - doch das wird unter Klaus Bachler anders.
"Ein frischer Wind tut der Staatsoper sicherlich gut. Ich war mit Hermann Prey gut befreundet. Als er mich das erste Mal gehört hat, packte er mich am Arm und zerrte mich zu Sir Peter Jonas: ,Den musst du verpflichten! " sagte Prey. Aber es ist nie etwas passiert! Irgendwann reichte es mir: Ich sang regelmäßig in Zürich, wo ich nun schon länger lebe. Warum also in meiner Heimatstadt siechen, wenn ich dort arbeitslos bin? Und nur als Einspringer zu fungieren, nur weil ich halt zufällig in der Stadt war, das konnte es auch nicht sein. Deshalb bin ich weg."

Das wird sich ändern...
"Dieses Jahr den Liederabend, nächstes Jahr eine ,Traviata' und den ,Lohengrin: Übernächstes Jahr wird es eine französische Oper geben, 2011 wieder eine deutsche Oper. Dann habe ich mein Repertoire so ziemlich abgedeckt. Jetzt ist man an der Staatsoper mit Feuereifer um mich bemüht und das ist sehr schön. Aber die Angebote bezogen sich zunächst nur aufs deutsche Fach, und das würde mich einengen und meiner Stimme schaden. ,Seid mir nicht bös', sagte ich, ,aber das ist mir zu speziell'. Jetzt haben wir eine gute Mischung."

Würden Sie wieder nach München ziehen?
"Das wäre mein Traum, hier zu leben und regelmäßig aufzutreten! Jetzt muss man abwarten, ob alles so köstlich schmeckt, wie es duftet. Ich kann mir vorstellen, mich dauerhaft ans Haus zu binden. Also nicht als Ensemblemitglied, aber mit einer bestimmten Anzahl an Premieren und Auftritten."

Ihr Repertoire ist sehr vielfältig: Deutsch, Italienisch, Französisch... .
"... obwohl mich Sprachen in der Schule nie sonderlich interessiert haben. Ich war fasziniert von Mathematik, was ich auch studiert hatte. Zunächst. Meine Eltern meinten, man sollte was Handfestes haben, bevor man sich der brotlosen Kunst zuwendet. Aber als Kind war ich viel mit meinen Eltern in Italien, und auf dem Wilhelmsgymnasium hatte ich auch zwei ,tote' Sprachen: Griechisch und Latein - und gerade von Latein profitiere ich. Es ist wichtig, dass man weiß, was man singt."

Klingt logisch.
"Sie werden lachen: Da gibt es einige Ausnahmen. Ein Sänger hatte zum Beispiel mal in seine Noten Gesichter eingezeichnet: mal lachend, mal traurig, mal wütend, um ungefähr zu wissen, um was es gerade geht."

Sie haben mal gesagt, Sie würden dafür bezahlt, dass Sie jeden Abend eine Therapie machen - auf der Bühne... "
"Weil Opernfiguren Extreme sind. Ich frage mich: Was muss passieren, dass ich so werde wie die Person, die ich verkörpere - und sei es zum Mörder? Das ist eine Forschungsarbeit ins innere Ich. Und dann kann ich mich auf der Bühne ausleben - wenn man den Herzog im ,Rigoletto' singt, der jede Nacht eine andere Frau ins Bett zerrt, dann muss ich das privat nicht mehr machen." ! (lacht)

Sie Glücklicher...
"Nicht wahr?"

Wobei es darauf ankommt, wer Ihnen auf der Bühne gerade wieder zu Füßen liegt.
"Da haben Sie Recht."

Stichwort Anna Netrebko.
"Das war klar, dass diese Frage jetzt kommt! Anna ist eine unheimlich sympathische Frau, nett, quirlig-verrückt. Man hat sehr viel zu lachen mit ihr."

Sehen Sie Ähnlichkeiten bezüglich der Karriere?
"Anna wurde über Nacht hochkatapultiert, seit Salzburgs ,Don Giovanni'. Das ist bei mir anders. Ich möchte die Leiter Schritt für Schritt hoch, dann ist sie stabiler. Mir reicht meine Leiter. Umso schöner für sie und uns, dass Annas Stimme und sie trotz des Rummels noch mal gereift sind. Ich würde allerdings niemals eine so öffentliche Person sein wollen. Da gibt es Grenzen."

Das wird Ihre Familie Ihnen danken. Obwohl Sie ja wohl wenig zu Hause...
"Ich weiß, was Sie sagen wollen: Leihvater, Vater für eine Nacht... Das wird natürlich immer massiver, aber bei uns geht's rund mit drei Kindern! Die Großen verstehen das eher, wenn man unterwegs und zwischendrin nur für einen Tag daheim ist. Aber als mein Dreijähriger mich an der Tür in den Arm nahm und als erstes fragte: ,Papa, wann musst du wieder weg?', da hat es mir wehgetan. In dem Alter ist es besser, lieber nicht für eine Nacht ,rüberzujetten. Aber von wegen Leihvater! Natürlich habe ich alle Kinder auch gewickelt. Und meine Frau hatte ein gutes Timing: Ich konnte bei jeder Geburt mit dabei sein. Denn Verpflichtungen schließt man in meiner Branche ja früher als neun Monate im voraus..."
MATTHIAS BIEBER






 
 
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