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Wie bindet man Schleifen? oder: Was man
von einem Königssohn lernen kann |
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Im Herbst letzten Jahres bin ich mit meiner Freundin nach
Zürich geflogen.
Im dortigen Opernhaus standen die „Königskinder“ von Engelbert Humperdinck
mit Jonas Kaufmann in der Rolle des Königssohns auf den Spielplan – etwas,
das wir uns auf keinen Fall entgehen lassen wollten.
Zugegebenermaßen sind wir beide große Fans von Herrn Kaufmann, wir sind
uns sogar bei einem seiner Liederabende erstmalig begegnet.
Der Besuch der Oper in Zürich war ein einzigartiges und wunderbares
Erlebnis, ein ausführlicher Bericht darüber würde vermutlich diese Seite
sprengen. Deshalb möchte ich hier hauptsächlich von dem Nachspiel
berichten, das der Abend für uns hatte.
Im zweiten Akt der Königskinder gibt es eine Szene, in der die
Wirtstochter versucht, den Königssohn zu verführen und zu diesem Zweck
beginnt, ihn auszuziehen – allerdings muss sie bereits beim Hosengürtel
wieder aufgeben. Aber sie schafft es zumindest, ihm einen Schuh zu
entwinden, so dass der Sänger, nachdem er seine Kleidung zusammengerafft
und schnell noch einige wunderbare Sachen gesungen hat, in der nächsten
Szene den Schuh wieder anziehen muss.
Nun sieht die Inszenierung für den Königssohn zünftige
Naturburschen-Kleidung inklusive einer Art Bergsteigerstiefel vor. So
einfach ist das gar nicht, den Fuß wieder in den Schuh zu stecken und die
langen – auffälligerweise in leuchtendem Rot gehaltenen – Schnürsenkel
zuzubinden, während man die laufende Szene im Auge behalten muss, um den
nächsten Einsatz nicht zu verpassen.
Meine Aufmerksamkeit hatte Herr Kaufmann jedenfalls, auch wenn er
musikalisch eigentlich gar nicht „dran“ war.
Da
gehe ich also in die Oper, um einem Tenor dabei zuzusehen, wie er sich die
Schuhe schnürt!
Aber auch meiner Freundin war die Sache mit dem Schuh aufgefallen.
Am nächsten Tag kamen wir bei einem Spaziergang am Zürichsee genau auf
dieses Thema zu sprechen: „Hast du gesehen, wie er den Schuh zugeschnürt
hat, irgendwie hat er die Schleife falsch herum gebunden?!“
Daraufhin grübelten wir eine ganze Weile über Schleifebindetechniken nach
und fragten uns, ob es dabei wohl regionale Unterschiede gäbe, die Bayern
es eventuell anders machen würden als die Rheinländer oder ob es
vielleicht sogar mit der Händigkeit einer Person zu tun haben könnte. Da
meine Freundin Linkshänderin ist, interessierte sie dieser Aspekt der
Fragestellung besonders.
Wir konnten nicht eindeutig klären, ob Herr Kaufmann Rechts- oder
Linkshänder ist. Zwar führt er wesentliche Dinge – wie das Hantieren mit
Schwertern oder Geben von Autogrammen – mit der rechten Hand aus, jedoch
benutzt er überraschend oft auch die linke Hand.
Weil uns die „falsche“ Schleife keine Ruhe ließ, begannen wir zur
Belustigung einiger Passanten am Seeufer unsere Schnürsenkel aufzuknoten
und verschiedene Bindetechniken auszuprobieren.
Bei diesen Versuchen stellten wir fest, dass die Richtung, in der der
Unterknoten der Schleife gebunden wird, in einem wesentlichen Zusammenhang
mit der anschließenden Windung der Schleife steht. Eine wichtige Tatsache,
die, wie meine Freundin bedauernd feststellte, bei ihrer Erziehung wohl
sträflich vernachlässigt worden war, was auch an den schief sitzenden
Schleifen ihrer Schuhe zu erkennen war.
Egal ob Rechts- oder Linkshänder, ob rechtsherum oder linksherum gewunden,
wichtig ist, dass man beide Knoten in entgegengesetzte Richtungen ausführt
und schon bekommt man perfekt gebundene Schleifen.
Mit dieser fundamentalen wissenschaftlichen Erkenntnis sind wir aus Zürich
wieder ins heimische Deutschland zurückgekehrt, und außer an unseren
glückstrahlenden Gesichtern konnte man auch an den perfekt gebundenen
Schnürsenkeln sehen, dass wir in der Oper „Königskinder“ von Engelbert
Humperdinck waren, mit einem der besten Königssöhne aller Zeiten – aber
das nur am Rande bemerkt.
Heike und Elke
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