Euronews, 02/11/2017
Verdis rare französische Fassung von "Don Carlos" in Paris
 
Die italienische Fassung ist die bekanntere, doch die Opéra Bastille in Paris hat die diesjährige Saison mit der französischen Originalfassung von Verdis “Don Carlos” eingeläutet. Eine Produktion mit internationaler Starbesetzung, dafür ist die Inszenierung des namhaften polnischen Regisseurs Krzysztof Warlikowski umso schlichter. Er stellt das persönliche Drama der Figuren in den Mittelpunkt, die mit dem Chaos und der brachialen Gewalt der Macht kämpfen müssen. Bei Publikum und Kritikern stieß die Inszenierung auf geteiltes Echo.

Sopranistin Sonya Yoncheva gibt die Prinzessin Elisabeth, die verbotene Liebe des Titelhelden. “Es ist eine sehr reine, schnörkellose Inszenierung. Man ist dem Text treu geblieben, der Handlung und auch völlig dem Seelenzustand der Figuren. Ich finde, dass dies für uns als Künstler auf jeden Fall unabdingbar war, denn dadurch konnten wir uns völlig offenlegen und wir selbst sein.”

In der Titelrolle glänzt Tenor Jonas Kaufmann. Und begibt sich sprachlich auf neues Terrain: “Ja, wieder ein großer Held, ich habe natürlich oft Don Carlo(s) gesungen – das ist keine Partie, die ich zum ersten Mal mache. Aber zum ersten Mal auf Französisch und das hat einiges am Spiel geändert. Es ist unglaublich schwer – für mich, und ich habe mit den Kollegen gesprochen, eigentlich für alle – ungleich schwieriger, es in französischer Sprache aufzuführen. Nicht, weil man es extra lernen muss. Nein, weil der Rhythmus anders ist, weil viele neue Musikstücke dazukommen. Aber vor allem für mich als Tenor, weil eigentlich fast jedes Mal, wenn ein hoher Ton kommt, er auf einem E oder auf einem U, also einem wahnsinnig unbequemen Vokal gesungen werden muss. Das macht es wirklich schwer, dieses Stück gesund zu singen.”

Die Inszenierung des polnischen Regisseurs kam ihm entgegen: “Die Interpretation von Krzysztof Warlikowski hat mir persönlich geholfen, noch mal andere Aspekte dieses Charakters, dieses doch sehr verrückten Don Carlos zu finden.”

Und Sonya Yoncheva lobt den italienischen Komponisten: “Verdi ist ein Mann des Theaters. Er hat das Theater wirklich sehr gut in die Oper, in die Musik integriert. Für uns Sänger ist es ein echtes Vergnügen, das nicht nur zu singen, sondern zu interpretieren. Für mich als Künstlerin ist es ein Privileg, heute Verdi zu singen.”
 
 
Euronews, 02/11/2017
Große Stars, schlichte Inszenierung: Verdis "Don Carlos" mal im "Original"
 
Es ist eine der düstersten Opern Verdis: “Don Carlos” hat die neue Saison an der Opéra Bastille in Paris eingeläutet. Mit internationaler Starbesetzung: Jonas Kaufmann in der Titelrolle und Sonya Yoncheva zum ersten Mal als Elisabeth. Politischer Idealismus, Verrat, Liebe und Intrige im Spanien des 16. Jahrhunderts bestimmen die Geschichte der unmöglichen Liebe zwischen dem spanischen Infanten Don Carlos und der französischen Prinzessin Elisabeth, die durch die politisch ratsame Heirat mit Carlos’ Vater Philipp II. zu seiner Schwiegermutter wird.

“Ich mag diese große Liebesgeschichte zwischen den beiden sehr”, begeistert sich Yoncheva, “auch diese Versuchung, diese Leidenschaft, die zwischen ihnen auflodert, und die Unmöglichkeit, sie zu erfüllen.”

Vorlage für Verdis epischen Fünfakter war das gleichnamige Drama Friedrich Schillers. Zum 150. Jahrestag seiner Premiere in Paris wurde das Meisterwerk in seiner Originalsprache aufgeführt, auf französisch. Verdi ließ es später ins Italienische übersetzen und kürzte es. Zwei Jahrzehnte lang hat er die Oper immer wieder überarbeitet, die bekannteste Fassung ist die italienische, “Don Carlo”.

Für den deutschen Star-Tenor, der Don Carlo(s) schon oft auf Italinenisch sang, ist der Ausflug ins Französische eine Herausforderung: “Es verändert sich durch die französische Sprache. Die Charaktere sind noch ein bisschen weicher, ein bisschen feiner. Ich habe fast das Gefühl, sie sind weniger dramatisch geworden, einfach durch diese französische Sprache, die das ganze ein bisschen feiner, ein bisschen subtiler macht, als das doch sehr fleischige Italienische.”

Auch wenn Don Carlos der Titelheld ist, mangelt es an großen Solos für ihn – sehr zu Kaufmanns Bedauern: “Es ist eine sehr interessante Frage: Was könnte ich Verdi sagen, wenn ich vor 150 Jahren bei der Premiere dabei gewesen wäre? Vor allem deshalb interessant, weil Verdi in seiner ursprünglichen Konzeption eine große Arie des Don Carlo(s) im 5. Akt vorgesehen hatte, und als er den Tenor kennengelernt hat und er so unzufrieden mit ihm war, hat er sein Konzept geändert und hat eine Arie für Elisabeth geschrieben. Ich hätte ihm also gesagt: Bitte schreibe eine Arie für den Tenor, schließlich heißt das Stück Don Carlo(s).”

Elisabeth hat einen ihrer großen Auftritte mit der Arie “Toi qui sus le néant”. “Es ist eine großartige Arie”, schwärmt Yoncheva, “ein Moment des Nachdenkens, ein sehr intimer Moment für Elisabeth. Das ist eine lyrische Rolle, eine Rolle mit großer Bandbreite, sie bringt alle Klangfarben zum Ausdruck.”

Und über das Schlussduett mit Don Carlos, “Au revoir dans un monde où la vie est meilleure” sagt sie: “Das Duett ist überwältigend – Musik von einer menschlichen Tiefe…”

Kaufmann: “Man hat fast das Gefühl, Verdi hat einen Weg gefunden, den Himmel aufzuschließen und man sieht die Treppe, die langsam nach oben führt. Die beiden wissen, dass es nur mit dem Tod enden kann.”
 
Den Artikel ist in 11 weiteren Sprachen auf der Seite von Euronews.
 






 
 
  www.jkaufmann.info/td> back top