Euronews, 23.2.2012

Jahrhunderttenor Jonas Kaufmann an der Wiener Staatsoper

 
Man nennt ihn jetzt schon den Tenor des 21. Jahrhunderts. Nach einem triumphalen Jahr 2011 hat Jonas Kaufmann jetzt die Titelrolle in Charles Gounods “Faust”. Wir trafen ihn an der Wiener Staatsoper kurz vor der Aufführung.

Die Staatsoper in Wien ist eine Art Gral für die Welt der klassischen Musik. Daher konnte auf dem Programm dieses Jahr auch Charles Gounods “Faust” nicht fehlen. Das hervorragende Ensemble wird gekrönt von Jonas Kaufmann.

Über seine Rolle sagt Kaufmann: “Mindestens 95 Prozent aller Rollen für Tenöre sind gute Menschen. Es ist immer der Gute, der durch Missverständnisse oder durch das Böse in die Bredouille gerät. Es gibt nur wenige Opern, bei denen das anders ist. Eine davon ist “Faust”. Deshalb muss Faust noch lange nicht ganz, ganz furchtbar sein, aber die Entscheidungen, die er trifft, sind sehr egoistisch, er behandelt die anderen schlecht, vor allem Marguerite.”

Die Geschichte des Faust basiert auf dem Klassiker von Goethe. Es geht um einen Pakt zwischen dem alten Gelehrten und Mephisto, dem Teufel. Faust gibt seine Seele im Austausch für Jugend. Gut gegen Böse, Leben gegen Tod, das sind Gegensätze, die den Komponisten, Charles Gounod, selbst quälten, wie der französische Dirigent Alain Altinoglu hervorhebt: “Gounod war zwischen zwei Welten hin- und hergerissen. Er wollte Priester werden, war sehr gläubig, aber er liebte die Frauen. Da ist also diese Kluft zwischen dem Casanova, dem großen Verführer, und der Religion und der Kirche.”

Künstler werden oft bewundert und beneidet, weil sie im Moment leben können, weil sie dabei sind, wenn etwas entsteht und dazu beitragen. Ein Dirigent zu sein, ist allerdings auch sehr schwierig. Altinoglu sagt: “Wenn Sie eine Oper dirigieren, gibt es ständig irgendein Problem, ein Instrument, das nicht funktioniert, ein Sänger, der zu spät kommt. Sie müssen sich um soviele praktische Dinge kümmern, und gleichzeitig ist da die künstlerische Seite, das Gefühl. Sie dürfen sich nicht auf das eine mehr konzentrieren als auf das andere. Wenn Sie sich zu sehr auf das Gefühl einlassen, verlieren Sie die Kontrolle. Aber wenn Sie sich zu sehr um die Kontrolle kümmern, geht das Gefühl dabei drauf. Man muss also ein Gleichgewicht zwischen den beiden finden.”

Eine Künstlerkarriere zu planen und zu managen, birgt Risiken und Herausforderungen.

Jonas Kaufmann meint: “Man muss schon heute Entscheidungen treffen, die Termine in fünf, sechs Jahren betreffen. Das gibt einem natürlich auf der einen Seite ein Gefühl der Sicherheit. Auf der anderen Seite ist das verrückt, denn die Kunst muss frei sein. Sie muss spontan sein. Fragen Sie mal einen berühmten Maler, mit welchen Farben er in fünf Jahren malen wird. Wer weiß, in welcher Phase er dann gerade sein wird. Vielleicht braucht er gar keine Farben mehr.”

In dieser Sendung können Sie Ausschnitte aus dem ersten, zweiten und dritten Akt der Oper “Faust” von Charles Gounod hören.
 
 
 
 
 






 
 
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