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Merkur, 15.07.20 |
von Magnus Reitinger |
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JONAS KAUFMANN IM BIBLIOTHEKSAAL
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Startenor singt in Polling für die „Met“ |
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Mit einem Konzert aus Polling beginnt diesen Samstag ein aufsehenerregendes
Projekt der New Yorker Metropolitan Opera. Startenor Jonas Kaufmann singt im
Bibliotheksaal des Klosterdorfs für ein weltweites Publikum – aber ohne
Zuhörer vor Ort.
Polling – Es ist ein gewaltiges Projekt, mit dem
eines der führenden Opernhäuser der Welt in Corona-Zeiten neue Wege geht:
Weil sie das eigene Haus heuer wohl nicht mehr öffnen kann – die
Millionenmetropole New York ist von der Pandemie besonders stark betroffen
–, veranstaltet die Metropolitan Opera (kurz „Met“) in den nächsten Monaten
zwölf Live-Streaming-Konzerte vor besonderen Kulissen in Europa und den USA.
Dabei treten einige der derzeit gefragtesten Opernsänger auf – in Konzerten
ohne Publikum, die aber via Internet live in die ganze Welt übertragen
werden. Titel der Reihe: „Met Stars Live in Concert“.
„Met“ schwärmt
vom Bibliotheksaal Beim Auftaktkonzert ist am kommenden Samstag, 18.
Juli, der Tenor Jonas Kaufmann aus dem Pollinger Bibliotheksaal zu erleben.
In ihrer englischsprachigen Presse-Info schwärmt die „Met“ von den „hoch
aufragenden Gewölbedecken und atemberaubenden Fresken“ des 1779, also im
späten Rokoko errichteten Bibliotheksaals. Mehrere Kameras sollen bei den
Konzerten nicht nur das musikalische Geschehen, sondern auch
„architektonische Details der außergewöhnlichen Veranstaltungsorte“ zeigen.
Nächste Station nach Polling ist das „Dumbarton Oaks Museum“ in Washington,
wo die amerikanische Sopranistin Renée Fleming auftreten wird. Es folgen
unter anderem Konzerte in Barcelonas berühmten Jugendstilkrankenhaus (mit
Joyce DiDonato), im Wiener Palais Liechtenstein (mit Anna Netrebko) und in
einem Schloss in Malta (mit Diana Damrau und Joseph Calleja).
Jonas
Kaufmann – der mit seiner CD-Einspielung von Verdis „Otello“ aktuell die
deutschen Klassik-Charts anführt – wird in Polling einige der
„spektakulärsten Vorzeigestücke für die Tenorstimme“ singen, wie die
Ankündigung der „Met“ verheißt: unter anderem „Nessun dorma“ aus Puccinis
„Turandot“, „E lucevan le stelle“ aus „Tosca“ und „La fleur que tu m’avais
jetée“ aus „Carmen“. Am Flügel wird der 51-jährige Sänger von Helmut Deutsch
begleitet. Die Veranstalter orderten dafür einen großen D-Flügel von
„Steinway & Sons“, der eigens für dieses Konzert in den Bibliotheksaal
geliefert wird.
Eigene Bühne in der Mitte des Raums Dass dafür der
fest auf der Bühne stehende „Steinway“ komplett abgebaut werden muss, ist
nur eine der „Umbaumaßnahmen“, die Hausherrin Hanne Wittermann dieser Tage
in Atem halten. Die von der „Met“ beauftragten Veranstaltungs- und
Technikfirmen, so berichtet die Vorsitzende des „Vereins der Freunde des
Pollinger Bibliotheksaals“, bauen für die Übertragung eigens in der Mitte
des Raums eine Bühne auf – wofür erst mal sämtliche Stühle aus dem Saal
entfernt werden müssen. Per Hebebühne wird eine Extra-Beleuchtung
installiert, fünf Kameras sollen am Samstag dann Konzert und Saal einfangen.
Für die Übertragung rollt ein Satellitenwagen an, und auch die
Internetkapazität musste „gewaltig aufgestockt“ werden. An die 35
Mitarbeiter sind mit dem Konzert beschäftig.
„Mit einer so großen
Sache waren wir bisher noch nicht am Start“, fasst Wittermann zusammen.
Dabei traten im Bibliotheksaal über die Jahrzehnte schon so einige Weltstars
auf: Kaufmanns Klavierbegleiter Helmut Deutsch konzertierte hier schon vor
40 Jahren mit Hermann Prey, im Gästebuch stehen auch Namen wie Yehudi
Menuhin, Karl Richter und Anne-Sophie Mutter. Letztere spielte in diesem
Saal 2009 sogar eine CD ein und wurde für ein Künstlerporträt gefilmt.
Saal wird dadurch noch bekannter Hanne Wittermann ist stolz auf das
„wunderbare Renommee“, das mit dem „Met“-Gastspiel verbunden ist: „Es freut
mich, dass unser Saal, der nicht unbekannt ist, dadurch noch bekannter
wird.“ Auch die Miet-Einnahmen kommen gelegen für den Verein, der die
coronabedingt abgesagten Konzerte deutlich auf dem Konto spürt – das Geld
aber für den Saal-Unterhalt benötigt. So hofft Wittermann, dass hier künftig
öfter CDs aufgenommen werden.
Auch bei Jonas Kaufmann, so hört man,
gibt es Überlegungen in diese Richtung. Er konzentriert sich nun aber erst
mal auf seine Premiere im Bibliotheksaal. Vor Ort haben Fans jedoch keine
Chance, dabei zu sein: Es wird kein einziger Zuhörer eingelassen. Tickets
für den Livestream sind für 20 Dollar (etwa 18 Euro) auf der Internetseite
www. metopera.org erhältlich.
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