Wiener Zeitung, 18.04.2016
Von Judith Belfkih
 
Ohne Sopran - auch kein Tenor
 
Der Maler Cavaradossi sitzt auf dem Dach der Engelsburg. Es ist Nacht, er wartet auf seine Hinrichtung. Sein letzter Wunsch: Einen Brief an die Geliebte Tosca schreiben. "E lucevan le stelle" ("Und es leuchteten die Sterne"), singt er schließlich - eine der berühmtesten Tenorarien. Vergangenen Samstag gab es im Finale von Puccinis Oper in Wien eine neue Textzeile. "Ah! Non abbiamo il soprano." Wir haben keinen Sopran. Improvisiert gesungen von einem ratlosen Jonas Kaufmann, der sich - als dann auch das Orchester der Staatsoper verstummt war - mit seiner Sprachlosigkeit an das Publikum wandte. Es gehe gleich weiter. Tat es auch. Sopranistin Angela Gheorghiu erlöste die Wartenden mit ihrem Auftritt.

Das dazugehörige Video erobert gerade Youtube, die Debatte über den Vorfall erhitzt Klassik-Fans.

Denn Kaufmann hatte auch an diesem Abend - eher unüblicherweise - seine Arie auf Drängen des Publikums erneut gesungen. Gheorghiu habe es vorgezogen, in der Garderobe zu warten.

Um diesen Punkt keimen diverse Verschwörungstheorien. Die Diva habe es nicht verkraftet, dass nicht sie durch Applaus zu Wiederholungen genötigt worden war. Ihre Verspätung sei ein Resultat gekränkten Stolzes. Einseitiger Diven-Krieg. Oder war es eine Machtdemonstration? Schau, wie weit du kommst, Tenor! Ohne Sopranistin! Ein sehr geschickt inszenierter Auftritt, vielleicht, um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken?

Viel spannender jedenfalls als die offizielle Version: Da es nach der Reprise doch keine Applaus-Pause mehr gab, war Gheorghiu nicht rechtzeitig zur Stelle. Langweilig.















 
 
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