Rheinische Post, 31. Juli 2015
Von Wolfram Goertz
 
Kaufmann pestet gegen Decca
Der Tenor ärgert sich, dass die Plattenfirma seine alten Arien aufwärmt.

Der Tenor Jonas Kaufmann steht in diesen Tagen mächtig unter Strom, aus zweierlei Gründen. Erstens singt er bei der Salzburger Premiere von "Fidelio" am Dienstag die Partie des vorerst eingekerkerten Florestan, derzeit laufen die Proben. Zum anderen hat sich der Gesangsstar kolossal geärgert und diesen Unmut per Facebook gepostet. Die Angelegenheit ist ungewöhnlich: Er warnt vor dem Kauf einer Kaufmann-CD. Worum geht es?

Im September wird der Sänger bei seiner neuen Plattenfirma Sony ein Album mit Puccini-Arien vorlegen. Da ist alles drauf, was der Musikfreund braucht und bei Puccini in der tenoralen Opernauslage zu finden ist: Hits aus "Turandot", "La Bohème", "Tosca", "Manon Lescaut", aber auch aus "Il tabarro", "Gianni Schicchi", "Le Villi", "La Fanciulla del West", "Madama Butterfly", "La Rondine". Dass die Platte "Nessun dorma - The Puccini Album" heißt, trifft perfekt den Kern des Produkts.

Dummerweise besitzt auch Kaufmanns frühere Plattenfirma Decca einige Puccini-Arien mit Kaufmann im Archiv, die sie bereits früher in anderem Kontext veröffentlicht hatte. Irgendwie hat die Decca Wind von den Sony-Puccini-Plänen bekommen und in aller Schnelle eine eigene CD unter dem Titel "The Age of Puccini" produziert, sie kommt dieser Tage in die Läden. Sie bietet tenorale Massenware diverser Komponisten - neben drei Puccini-Arien. Natürlich darf die Decca mit alten Aufnahmen machen, was sie will; juristisch ist das einwandfrei. Trotzdem ist das ein Torpedo in CD-Form, ein Knüppel zwischen die Sony-Konkurrentenbeine.

Pikant ist, dass Kaufmann nicht von den Decca-Plänen informiert wurde. Auf Facebook schreibt er: "Liebe Freunde, bitte lasst euch nicht täuschen. Bei 18 Titeln der Platte handelt es sich um mein Album ,Verismo Arias' von 2010." Die drei Puccini-Titel seien sogar noch älter. Kaufmann schimpft: "Also alles bekannte Aufnahmen in neuer Verpackung. Das Ganze wurde ohne mein Wissen und ohne meine Zustimmung erstellt."

Der Wind wird erkennbar rauer. Früher behandelten die Majors, also die großen Plattenfirmen wie EMI, Deutsche Grammophon, Decca, Philips, Sony oder Warner, einander mit Respekt, sie hatten wenig von außen zu befürchten und aßen vom Kuchen, den sie selbst gebacken hatten. Diese Zeiten sind vorbei. Längst wurde die EMI von Warner geschluckt, und viele kleine Independent-Labels haben sich überaus aktiv und erfolgreich entwickelt; überdies hat die Kundschaft die bewährte Politik der Majors satt, alte Platten zu remastern und in neuer Optik ein zweites oder gar drittes Mal aufzulegen. Wirklich alte Schätzchen kommen ja eher von kleinen Labels wie Orfeo, Audite oder Testament zu uns.

Ob die neue Puccini-CD bei Sony wirklich eine gute Platte ist, kann einstweilen niemand sagen, noch keiner hat sie gehört. Aber sie besitzt ein entscheidendes Merkmal: Frische. Die Decca hat nur aufgewärmt.















 
 
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