Merkur, 26.6.2013
Anita Svach
 
„Ein Traum für jeden Tenor“
München - Eigentlich haben die Münchner Opernfestspiele am vergangenen Samstag mit der „Festspielnacht“ begonnen. Doch richtig los geht es morgen, mit der großen, von allen herbeigesehnten Premiere:
 
Beide Komponisten sind heuer bekanntlich Jubilare. Doch Richard Wagners 200. Geburtstag hat die Bayerische Staatsoper bereits „abgewickelt“ – und zwar in der vergangenen Saison mit der Neuproduktion des „Ring des Nibelungen“. Diese Spielzeit steht daher im Zeichen Giuseppe Verdis. Sein „Simon Boccanegra“ kam vor wenigen Wochen im Nationaltheater heraus, nun also der – seit Monaten längst ausverkaufte – „Troubadour“.

Die Neuproduktion des französischen Regisseurs Olivier Py unter der musikalischen Leitung von Paolo Carignani holt einen Star einmal mehr in die Heimat zurück: Jonas Kaufmann. Der gebürtige Münchner hat hier 1994 sein Examen an der Musikhochschule abgelegt. Und seit Nikolaus Bachler Intendant ist, singt der Tenor immer öfter an der Staatsoper, seinem „Heimathafen“, wie er selbst sagt.

Zum Gespräch im Rennertsaal des Nationaltheaters erscheint der 43-Jährige ganz lässig in Shorts, T-Shirt und Sneakers, schließlich hat er gleich wieder Probe und am Abend noch einen Auftritt in der „Abendschau“. In „Il trovatore“ verkörpert Kaufmann den Titelhelden, den Troubadour Manrico, dessen Liebe zu Leonora ihn schließlich das Leben kostet. Weitere Details ersparen sich nicht nur Experten. Verdis „Troubadour“ gilt als eine der kompliziertesten Handlungen der Opernliteratur – was die Genießer kaum schreckt: Der Meister hat für dieses Werk einige seiner schönsten Melodien erdacht.

Dass Kaufmann sein Rollendebüt als Manrico ausgerechnet im Verdi-Jahr gibt, ist Zufall. „Manrico ist ein Traum für jeden Tenor, eine der wenigen Rollen, die einen starken Charakter haben. Er ist sehr männlich und aufrecht, zeigt mehr Selbstbewusstsein und mehr Charakter als manch andere Tenorfigur.“ Eine neue Partie zu lernen, sei sehr zeitintensiv, sagt Kaufmann. Man müsse sich mit dem Charakter und den Eigenheiten der Rolle beschäftigen, gut vorbereitet sein – und das nicht erst bei Probenbeginn. Das A und O daher: „Wenn du Qualität bieten willst, musst du dich mit dem Regisseur frühzeitig zusammensetzen, über seine Vorstellungen sprechen und auch mal Alternativen bieten. Trotzdem kann es natürlich sein, dass in den Proben einiges umgeschmissen wird.“

Aber gerade das reizt ihn. Spontan neue Ideen umzusetzen und sich immer die kindliche Neugier zu bewahren, daran liegt Jonas Kaufmann besonders viel. So ist noch nicht klar, ob bei der Premiere „Di quella pira“, Manricos Stretta und eine der berühmtesten, auch gefürchtetsten Tenor-Nummern inklusive hohem C, wiederholt wird oder nicht. Es bleibt also spannend bis zur letzten Minute.

Eigentlich findet Jonas Kaufmann die Arie davor, „Ah si ben mio“, sowieso viel schöner. „Sie ist so herzzerreißend und musikalisch viel interessanter, ein Schlüssel für den Charakter von Manrico, der Leonora sein Herz ausschüttet.“ Immerhin müsse hier der Troubadour von seiner geliebten Leonora Abschied nehmen...

Kaufmanns Leonora in der Münchner Neuproduktion ist die Sopranistin Anja Harteros. Mit ihr ist Kaufmann an der Bayerischen Staatsoper gewissermaßen verheiratet, sie sind dort bereits gemeinsam als Lohengrin und Elsa oder Don Carlo und Elisabetta di Valois aufgetreten.

An Verdi schätzt Jonas Kaufmann, dass er den Sängern viel mehr interpretatorische Freiheit lasse als zum Beispiel Wagner. „Man kann mehr gestalten, hat mehr Eigenverantwortung, kann in der schönen Melodie schwelgen und viel von der eigenen Persönlichkeit einbringen.“ Schließlich singe man quasi allein, in der Regel werde die Melodielinie nicht von einem Instrument aus dem Orchester mitgespielt. Wie zu Wagner kam Jonas Kaufmann auch zu Verdi durch seinen Großvater. Schon als Jugendlicher war der Münchner zum ersten Mal in der Arena di Verona, eine Atmosphäre, die ihn einfach angesteckt habe.

Und wie verhält es sich mit der Gesangstechnik? „Verdi ist ein anderer Stil als Wagner, man singt weicher im Ansatz, man phrasiert anders, es gibt mehr Rubati, dazu noch leichte Portamenti, das heißt man verbindet die Töne mehr miteinander, als man das vielleicht bei Wagner tun würde oder tun sollte“, erklärt Kaufmann. „Manrico ist einfach schön zu singen, und dass der Funke dieser Freude auf das Publikum überspringt, das wünsche ich mir für die Vorstellungen.“














 
 
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