Münchner Merkur, 27. Juni 2009
Von Markus Thiel
Münchner Opernfestspiele 2009: Über alle Grenzen hinweg
Schwanenritter trifft neugierige Jungfrau: Die Neuinszenierung von Richard Wagners „Lohengrin“ ist das zentrale Ereignis der Münchner Opernfestspiele, die an diesem Wochenende starten und bis Ende Juli dauern. Ein Festival, das heuer mehr als sonst über den Opern-Tellerrand hinausblickt.
Die – natürlich längst ausverkaufte – „Lohengrin“-Premiere ist am 5. Juli. Und auf diese All-Star-Besetzung muss einfach jeder andere Musentempel neidisch sein. Jonas Kaufmann, der neue Fixstern am Tenorhimmel, in der Titelrolle sowie Anja Harteros als seine ihn anbetende Elsa. Zwei Künstler, die mit respektablem Erfolg beweisen können: Um an die Weltspitze zu kommen, muss man sich nicht betriebsblind auf italienisches oder deutsches Fach eingrenzen lassen.

Was – über eine Festspiel-Premiere hinaus – Harteros und Kaufmann einige Nerven kosten dürfte: Beide singen diese Wagner-Rollen das erste Mal. „Für mich soll der Lohengrin eine zentrale Partie werden“, sagt Kaufmann selbstbewusst. „Ein Meilenstein in der Entwicklung und in meiner Karriere.“ Und weil der 40-Jährige auch noch an der Isar geboren wurde, ist diese Neuproduktion „in doppelter Hinsicht aufregend und schön“.

Wagner nicht vom italienischen Stil lösen

Jonas Kaufmanns erster Karriereschub passierte fernab der Isar. Am Opernhaus Zürich probierte er fast alle seine großen Partien aus. Später kamen Wien, London, Mailand und die Met dazu, nur in München war der Tenor bislang kaum zu erleben. „Ich habe über viele Jahre hinweg hier einfach nicht den Fuß in die Tür bekommen“, sagt Kaufmann rückblickend und mit kaum verholener Kritik. Da hilft es natürlich, dass der neue Intendant ein Kaufmann-Fan ist. „Der Mann steht mittlerweile nicht mehr nur in der Tür, er ist schon im Raum“, formuliert es Nikolaus Bachler lachend.

Anja Harteros dagegen gehört quasi zum Münchner Ensemble. Als „Figaro“-Gräfin, als Arabella, Desdemona oder Mimi hat sie Tausende Fans schon für ihren Sopranklang und ihre intelligente, stets mit einer aristokratischen Note versehene Darstellungskunst verdorben. Der in allen Fächern beheimateten Sopranistin kommt die Elsa in Wagners „italienischster“ Oper naturgemäß entgegen. „Ich mache schon einen Unterschied zwischen den Stilen, versuche aber, Wagner nicht von der italienischen Art zu lösen“, sagt die Deutsch-Griechin. „Ich will bei der Elsa Italianità einfließen lassen, wo das die Partie erweitert.“

Und da trifft sich Münchens neue Elsa mit ihrem Lohengrin. „Ich bin davon überzeugt, dass sich italienischer und deutscher Stil gegenseitig extrem befruchten und dies von Wagner in seinen Opern auch so beabsichtigt war“, sagt Jonas Kaufmann. „Selbst bei wildesten Rollen wie dem Tristan.“ Doch die Tradition habe sich im 20. Jahrhundert leider verschoben, hin zu einem Sprechgesang, zum vokalen „Schwarz-Weiß-Malen“, zum An- und Ausknipsen der Stimme. Ein unreflektierter Stilmix kommt allerdings für Kaufmann nicht in Frage. „Ich will Wagner auch nicht weichspülen und in eine italienische Oper verwandeln.“

Wagner, das ist in München traditionell Chefsache. Kent Nagano, Generalmusikdirektor der Staatsoper, hat den „Lohengrin“ bereits mit seinem früheren Ensemble, dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin zunächst konzertant aufgeführt und vor drei Jahren bei einer szenischen Produktion im Festspielhaus in Baden-Baden dirigiert. Dass er hier zwei Rollen-Neulinge vor sich hat, wertet Nagano als entscheidenden Vorteil. Die Begegnung eines in jeder Hinsicht wunderbaren Schwanenritters mit einer Frau, die ihn fasziniert und damit gleichsam aus der Publikumsperspektive erlebt, könnten die Star-Debütanten „mit einer besonderen Tiefe und Wahrhaftigkeit“ darstellen. Es handle sich folglich „um eine Naivität im besten Sinne“.

Rückkehr des Saurier-Regisseurs

Ob allerdings diese Begegnung mit Schwan, Goldschwert und am Ufer der Schelde stattfindet, ist etwas fraglich. Denn für die Regie wurde Richard Jones verpflichtet. Der Engländer hat München eine der größten Kult-Inszenierungen der letzten Jahrzehnte beschert: Sein „Giulio Cesare“ war 1994 der Urknall für eine beispiellose Händel-Renaissance. Noch heute steht der Riesen-Saurier, der seinerzeit die Nationaltheater-Bühne beherrschte, als Symbol für die hiesige Barock-Hysterie in der Ära von Intendant Peter Jonas.

Auf jeden Fall wünschen sich nicht nur die Wagnerianer endlich einen „Lohengrin“, mit dem sich’s einige Jahre friedvoll leben ließe: Die Produktion von August Everding aus dem Jahre 1978 bot nämlich vor allem Kitschreiches in einer Ausstattung von Ernst Fuchs, Götz Friedrichs müde Folge-Inszenierung von 2001 wurde nach wenigen Aufführungen wieder aus dem hehren Hause verbannt.

Foto © WILFRIED HÖSL






 
 
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