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Der Tagesspiegel, 23. Mai 2009 |
Von Frederik Hanssen |
Jonas Kaufmann - der neue Villazon?
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Der Tenor Jonas Kaufmann auf CD – und in
der Deutschen Oper Berlin: Wird Jonas Kaufmann der neue Rolando Villazon?
Der 1969 in München geborene Tenor bringt alle Voraussetzungen für eine
mediale Megastar-Karriere im modernen Klassik-Business mit.
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Er sieht mindestens so gut aus wie sein mexikanischer Stimmfachkollege, er
ist musikalisch vielseitig interessiert (ohne sich stilistische Ausrutscher
zu leisten wie Villazon bei seinem Händel-Album), zudem macht er im
Talkshow-Studio ebenso eine bella figura wie auf der Bühne. Doch während der
zwei Jahre jüngere Rolando Villazon nun schon zum zweiten Mal aufgrund von
Stimmbandproblemen eine mehrmonatige Gesangspause einlegen muss, jettet
Jonas Kaufmann munter durch die Welt und räumt überall Erfolge ab. Wie jetzt
in zwei Abenden an der restlos ausverkauften Deutschen Oper Berlin.
Es herrscht Gala-Abend-Stimmung im Saal bei der 327. Aufführung von Boleslaw
Barlogs 1969er „Tosca“-Inszenierung, so viele Smokings und bodenlange Roben
hat man selbst bei einer hauptstädtischen Premiere selten gesehen.
Titelheldin Nadja Michael und Bariton-Legende Ruggero Raimondi als Scarpia
werden am Ende gefeiert, bei Jonas Kaufmann aber geraten die Leute schon
nach seiner ersten Arie aus dem Häuschen.
Wenn Rolando Villazon wegen seiner stummfilmreifen Mimik gerne Mr. Bean
genannt wird, dann kann es für seinen deutschen Konkurrenten nur einen
Spitznamen geben, nämlich den des Traumtypen aus der TV-Serie „Sex and the
City“: Mr. Big. Jonas Kaufmann, so scheint es bislang, kann einfach alles:
Auf seiner Debüt-CD bei der Deutschen Grammophon wechselte er mühelos
zwischen französischer, italienischer und deutscher Sprache, auf seinem
zweiten Album, das seit gestern im Handel ist, durchstreift er das
Tenor-Repertoire seiner Muttersprache, begleitet von Claudio Abbado und dem
Mahler Chamber Orchestra.
Kaufmann findet die lyrische Delikatesse für Mozarts Tamino, bietet Rares
von Schubert, bewältigt Beethovens „Fidelio“ und stößt wagemutig vor bis ins
Wagner-Fach: ob Parsifal, Lohengrin (den er im Juli in München singen wird),
oder Siegfried * – seine Heldenmelodien klingen mühelos, markant-männlich
und auf angenehme Weise auch altmodisch. Beim Retro-Sound allerdings mag der
Toningenieur seine Finger mit im Spiel gehabt haben (Kaufmanns Idol ist der
1954 verstorbene Peter Anders)** . Live auf der Bühne jedenfalls klingt der
39-Jährige absolut heutig. Ein hoch gewachsener Beau betritt die Szene,
siegessicher, als ziere bereits ein Lorbeerkranz seine dunklen Locken.
Kaufmanns Idiomatik ist perfekt, aber er imitiert auch die sprichwörtlichen
schlechten Eigenschaften italienischer Tenöre, baut Schluchzer ein und
überdehnt die Spitzentöne Applaus heischend.
Da ist noch viel Kalkül mit im Spiel, da fehlt diese rückhaltlose Hingabe an
die Rolle, die schauspielerische Leidenschaft, die Villazons Auftritte so
einzigartig machen. Wenn Cavaradossi jedoch im Finalakt seiner Exekution
entgegensieht, findet auch Jonas Kaufmann zur intensiven
Rollenidentifikation. Dann rühren seine letzten Worte tatsächlich, dann
leuchten die Töne zart und silbrig wie jene Sterne, von denen er singt.
Am heutigen 23. Mai ist Jonas Kaufmann beim Konzert „60 Jahre
Bundesrepublik“ vor dem Brandenburger Tor dabei. |
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(Anmerkung: mir war nicht ganz klar ob ich
diesen Artikel nun unter Kritiken, CD-Kritiken oder einfach unter Artikel
einordnen sollte, im Grunde genommen ist er ohnehin entbehrlich :-). Wer
einen Tenor mit dem anderen vergleicht, vergleicht Äpfel mit Birnen.) |
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* Siegmund, nicht Siegfried |
** Peter Anders ? |
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