Hamburger Abendblatt, 21. Februar 2008
Von Joachim Mischke
Der nächste Star am Opernhimmel heißt Jonas
Klassik: Tenor Kaufmann gibt Ende des Monats ein Konzert in der Laeiszhalle
Der Münchner kommt aus einer Musikerfamilie, spricht fünf Sprachen und singt klassische Arien, wird aber - zusammen mit seinem Album "Romantic Arias" - wie ein Pop-Star vermarktet.
Hamburg -Wenn klassik-affine Kolleginnen nach Karten fragen und eher klassikfernere bei der Nennung des Namens sofort ein "Ah ja ... der Schönling" parat haben, dann ist das Thema reif. Jonas Kaufmann (38) heißt das Subjekt dieser interessanten Begierden und ist, wenn man der Vorab-Werbe-Welle glauben mag, das Beste seit der Erfindung geschnittenen Brotes und der zeitweiligen Erkrankung des bisherigen Klassik-Lockenköpfchens Nr. 1, Rolando Villazón. Kaufmanns Karriere läuft seit einigen Jahren rund, aber jenseits der Verkaufs-Charts bei Klassik-Grossisten. Von Zürich aus, wo der Enddreißiger - jetzt ganz tapfer sein - mit Frau und mehreren Kindern wohnt, jettet er regelmäßig zu ersten Adressen.

Nun aber geht's um die Massenkompatibilität. "Wetten, dass ..."-Tauglichkeit aufbauen und gleichzeitig seriöse Kritiker nicht verschrecken, dieser Spagat will geschafft sein. Was seine Vermarkter mit Lang Lang schafften und mit der Netrebko abgehen ließen, ist nun die Messlatte.

"Romantic Arias" heißt die Schnittchen-Platte, mit der Kaufmann ein breites Repertoire-Feld absteckt, vom Puccini bis Verdi, von Weber bis Wagner. Ein bunter Teller, dessen herziges Etikett genau genommen ein wenig schwindelt. Aber so ist das nun mal, wenn man alle erreichbaren Fliegen auf einen Streich treffen möchte. "Wenn schon bekannt werden, dann als Tenor, der sehr vielfältig ist. Ich wollte eine - vielleicht gefällige, schöne Mischung - finden, die das widerspiegelt, was ich gerade bin." Das lässt sich mit einem Wort umschreiben: selbstbewusst. Mit Mozart-Rollen fing die Karriere an. Die nächsten größeren Eckdaten im Terminkalender: ein Lohengrin 2009 in München, eine "Carmen" an der Met, dort steht 2011 der erste Siegmund an. Nur eins geht gar nicht: "Rossini, ganz klar. Ich hab bestimmt 25-mal den Almaviva im Barbier gesungen. Hat ja auch Spaß gemacht ... Aber da singt man den ganzen Abend mit angezogener Handbremse und auf einem halben Stimmband." Nicht seine Tasse Tee, das. Die weiteste Anfrage: ein "Werther" in Madrid in der Saison 2015. Aber so etwas kann selbst Kaufmann, der freundlich aus dem Branchen-Nähkästchen Plaudernde, nicht mehr ernst nehmen: "Was weiß denn ich, was ich dann mache ..." Zumindest wäre Umdenken und -orientieren kein unlösbares Problem. "Ich lauf auf die Bühne, leg den Hebel um und gebe alles - aber danach: Kostüm aus." Alles eine Frage der Prioritäten, und bei denen hat sich der Tenor Kaufmann, anders als manche hochtourig laufenden Kollegen, professionell im Griff: "Wenn man einmal herausgefunden hat, wie Singen geht, dann ist das wie bei einem Kind im Süßwarenladen: Man möchte zunächst von allem sofort. Bis man sich den Magen verdirbt." Das angefangene Mathematik-Studium war's jedenfalls nicht, was Kaufmann als Lebensaufgabe für sich entdeckte. Zu dröge. Auf die Frage nach einer komplett musikfreien Alternativ-Berufung hat Kaufmann aber sofort eine Antwort parat, die man von einem derart nach Tenor-Schnuckel aussehendem Tenor kaum erwartet hätte: "Ich bin handwerklich sehr begabt." Kacheln, Mauern, Fliesenlegen, Kabelverlegen, solche Dinge. In den USA hat er einmal einen Bericht über einen Mann gesehen, der sein Lebensglück als Allround-Problemlöser gefunden hat. So etwas, ein Job als "Fixer", "das wäre meine Erfüllung". Wenn in seiner berufsbedingten Abwesenheit irgendetwas zu Hause repariert wurde (zuletzt eine Schiebetür), setzt sein Ehrgeiz ein: "Sobald die weg sind, komm ich und mach's richtig."






 
 
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