Westfälische Nachrichten, 4.2.2008
 VON HARALD SUERLAND, MÜNSTER
Opernstar ganz oben
Wenn er erst einmal in Fahrt ist, dann klingt seine Stimme mitreißend. Ein kraftvoller, aber nicht metallisch wirkender Tenor mit dunkler Färbung, die auch in den Spitzentönen bis hin zum hohen C erhalten bleibt. So singt gewiss kein deutscher Sänger.
Von wegen: Jonas Kaufmann ist ein deutscher Sänger. Einer, der im Moment so medienpräsent zu sein scheint wie ansonsten nur Anna Netrebko. Mit der russischen Star-Sopranistin singt er auch zusammen, nämlich Verdis „La Traviata“ am Londoner Royal Opera House Covent Garden. Jonas Kaufmann: Der neue Rolando Villazon?

Seine aktuelle CD „Romantic Arias“, mit der auch für zwei Gala-Konzerte in München (24. Februar) und Hamburg (28. Februar) die Werbetrommel gerührt wird, zeigt die Parallelen, aber auch die Unterschiede. Die Stimme erinnert tatsächlich ein bisschen an manche Sänger aus dem spanisch-mexikanischen Sprachraum wie eben Villazon oder Francisco Araiza. Und hat dabei aber auch, zumindest unter dem akustischen Vergrößerungsglas des Mikrofons, diesen leichten Knödel-Effekt, der Opern-Skeptiker schnell an den berühmten Kermit denken lässt. Eben nicht diesen hellen, leichten Klang, den man etwa von Peter Schreier kennt, und auch nicht den gleißenden Strahl, den man mit der Legende Fritz Wunderlich oder einem Rene Kollo in seinen besten Zeiten assoziiert. Im Theater muss eine solche Stimme dennoch umwerfend klingen.

Dass Kaufmann, der Rodolfos Arie aus „La Bohème“ so mitreißend am Beginn seiner CD präsentiert, nicht alles gleich gut kann, mag mit seinem bisherigen Karriereweg zusammenhängen: Der in München geborene Sänger, der auch aufgrund seiner „Latin Lover“-Erscheinung immer wieder betont, dass seine Eltern Deutsche sind und nie „eine Pizzeria geführt“ haben, wurde zunächst auf den „sehr leichten, typisch deutschen Klang“ festgelegt und fand erst nach einem Lehrerwechsel zu seinem wirklichen Stimmklang: „Die Stimme, die ich nun einsetze, ist die, die ich in der Dusche oder im Fahrstuhl gebrauche“, wird er im Begleitheft seiner CD zitiert. Er fand seine künstlerische Heimat in Zürich, wurde aber mittlerweile in ganz Europa bis hin zu den Salzburger Festspielen engagiert und hat auch bereits an der Met und in Chicago gesungen.

Das Leichte und Feine, so lässt es die CD vernuten, ist nicht wirklich seine Sache. Ob in der Blumenarie aus „Carmen“, im Mittelteil der Max-Arie aus dem „Freischütz“ oder dem Piano-Spitzenton in der Faust-Arie von Gounod: Wenn er mit Pastelltönen malt, werden die Farben matt. Wenn er hingegen lustvoll die Stimme auspackt, wenn er mit Massenet einen emphatischen Werther singt oder in Wagners „Meistersingern“ Parnass und Paradies preist, macht das Zuhören richtig Spaß – und man möchte die CD am liebsten als Empfehlung an die Bayreuther Festspiele schicken.

Jonas Kaufmann: Romantic Arias. Prague Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Marco Armiliato. CD Decca 475 99 66.






 
 
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