Längst
ist der gebürtige Münchener Jonas Kaufmann ein Weltstar mit Engagements an
allen bedeutenden internationalen Bühnen. Gleichzeitig ist Kaufmann die
größte Hoffnung im Tenorfach, wobei sich „Hoffnung“ auf die Sehnsucht der
zahllosen Opernliebhaber in aller Welt bezieht, einmal wieder einen
wahrhaft einzigartigen Tenor vom Format eines Domingo oder Pavarotti zu
besitzen. Wenn es momentan jemanden gibt, der dazu das Zeug hat, dann ist
es, da besteht Konsens in der Opernwelt, der 1969 geborene Jonas Kaufmann.
Ein Weltstar ist man in der Opernszene bereits lange vor der möglichen
Verwirklichung solcher Ideale, ein Weltstar ist Jonas Kaufmann — wie
gesagt — längst, mit triumphalen Hauptrollen in Mailand, London, Paris und
New York.
Nähert man sich der Frage, was den 38-jährigen Deutschen zu etwas ganz
Besonderem macht, was ihn aus der momentan wahrlich nicht kleinen Anzahl
junger Weltklassetenöre noch hervorhebt, so könnte man eine Menge
anführen. Er sieht umwerfend aus: wo er auftritt, liegt das weibliche
Publikum seiner glutäugigen und zugleich lässigen Erscheinung zu Füßen und
Kaufmanns magnetischer Bühnenpräsenz können sich auch unter den Herren der
Schöpfung nur ganz wenige entziehen. Die internationale Kritik lobt von
Salzburg bis New York unisono seine darstellerische Intelligenz und die
Leidenschaft, mit der er in jeder seiner Bühnenrollen aufgeht. Die
Connaisseure der Stimme überschlagen sich und greifen bereits zu den ganz
großen Beispielen, wenn es um seine Technik, sein verführerisches Timbre,
seine brillante Höhe geht.
Jedes dieser Kriterien verkleinert den Kreis derer, die alles zu bieten
haben, jedes dieser Kriterien hängt entweder vom Glück, vom Talent oder
vom Fleiß des Betreffenden ab. Über diese notwendigen Attribute hinaus
verfügt Jonas Kaufmann jedoch über Geist, Mut zum Risiko und eine
erfrischende Philosophie: Jonas Kaufmann ist ein Romantiker, und er ist
ein Universalist.
Die durch und durch romantische Ausprägung seiner Debüt-CD bei Decca, die
sich im Titel wie im Repertoire widerspiegelt, bringt er selbst direkt auf
den Punkt: „Ich liebe alle diese romantischen Sachen! Auch wenn es
kitschig klingt: Ich bin ein romantischer Mensch. Ich spiele gerne
romantische Rollen und ich singe gerne romantische Musik.“ Kitschig?
Kitschig klingt das nur für denjenigen, der nicht zwischen tief
empfundenen, authentisch großen Gefühlen und aufgesetzter,
melodramatischer Kolportage zu unterscheiden vermag.
Mit voller, warmer Stimme und strahlender Natürlichkeit präsentiert
Kaufmann solche großen Gefühle in einer Vielfalt der Rollen, über
die man nur staunen kann. Das Repertoire seines Recitals reicht von Verdi
und Puccini, über Bizet, Massenet und Gounod bis zu Flotow, Weber und
Wagner. Alle ausgewählten Rollen hat er bereits auf der Bühne
gesungen, oder er wird es demnächst tun. Und das ist für diesen
furchtlosen und stupend begabten Sänger, der nichts so sehr zu scheuen
scheint wie Beschränkung, Stillstand und Langeweile, erst der Anfang. In
der Oper von heute wird leider zu sehr in Schubladen gedacht, wodurch sich
die meisten Sänger auf jeweils nur wenige der großen Tenorpartien
beschränken lassen. Doch für Jonas Kaufmann steht nirgendwo geschrieben,
dass ein „Helden-Tenor“ keinen Tamino (in Mozarts „Zauberflöte“) singen
können soll. Oder dass es die Konzentration auf Rollen wie Rodolfo (La
„Bohème“) und Radames („Aida“) schwierig bis unmöglich mache, Beethovens
Florestan („Fidelio“) oder Wagners Parsifal und Tristan vollwertig zu
gestalten.
Kaufmann verneint diese einschränkende Denkweise vehement und hat die
moderne Auffassung davon, was ein Tenor leisten kann, schon oft
eindrucksvoll widerlegt. Allein während der Spielzeit 2006/2007
triumphierte er in Zürich als Herzog von Mantua und als Don Carlos, an der
Met als Tamino und als Alfredo (in Verdis „La traviata“), als Berlioz‘
Faust in Rom und als Don José (in Bizets „Carmen“) an Londons Covent
Garden. Von umjubelten Liederabenden an der Seite des Pianisten Helmut
Deutsch ganz zu schweigen. Seine Programme: Schuberts „Winterreise“ und
„Die schöne Müllerin“, Schumanns „Dichterliebe“ und Lieder von Richard
Strauss. In London etwa wurde sein Don José ebenso von der Kritik als der
beste, den man in Jahren gehört hatte, gefeiert wie seine „Dichterliebe“.
Dem Mann muss man anscheinend alles zutrauen!
Dieser universelle Ansatz, dieser Mut zur Vielfalt, der nicht mit einem
„Fach“ zufrieden ist, der sich das Singen in seiner Ganzheit zu eigen
machen will, gibt Jonas Kaufmann seine absolute Sonderstellung als Sänger.
Derart breit gefächert sind nach dem 2. Weltkrieg nur noch Fritz
Wunderlich und Placido Domingo an ihre Karriere als Tenor herangegangen,
und vor ihnen einige der legendären Namen aus romantischer Vorkriegszeit.
Damals „war es völlig normal, dass jemand an einem Abend Mozart und am
nächsten Wagner gesungen hat“, erklärt Kaufmann, „und niemand meinte: ‚Wie
kann er das tun?‘ Jetzt ist das bedauerlicherweise äußerst unüblich“.
Jonas
Kaufmann ist in München aufgewachsen und hat dort studiert. Von klein auf
hat er in Knabenchören gesungen und die Aufnahmen von Rudolf Schock, Peter
Anders und Fritz Wunderlich geliebt. Dennoch sah er die Musik zunächst
nicht als Berufung und studierte anfangs Mathematik. Schon als Teenager
wurde er mit dem „tenoralen Schubladendenken“ konfrontiert, zunächst ohne
sich dessen intellektuell oder technisch erwehren zu können. Seine Stimme
besaß damals einen sehr leichten, typisch deutschen Klang. Mein Lehrer
erwartete, dass sie so klang“, wie Kaufmann sich erinnert. Der
Gesangsunterricht erfüllte ihn mit zunehmendem Unwohlsein. Immer mehr
beschlich ihn das Gefühl, dass die Stimme, die er sich antrainierte, nicht
seinem natürlichen Stimmklang entsprach. Glücklicherweise bestärkte ihn
schließlich ein neuer Lehrer in dieser Auffassung und brachte ihn auf den
richtigen Weg. Heute sagt Jonas Kaufmann mit Stolz und mit einem
Augenzwinkern: „Die Stimme, die ich nun einsetze, ist die, die ich auch in
der Dusche oder im Fahrstuhl gebrauche!“ Mit neugewonnenem stimmlichen
Selbstbewusstsein beendete er sein festes Engagement an der Oper
Saarbrücken, ohne konkrete Angebote zu haben. Seine neue, seine natürliche
Stimme hat ihn geradewegs in die ganze Welt geführt.
Im Februar gastiert Jonas Kaufmann mit dem Programm seiner Debüt-CD in
München und Hamburg. Im selben Monat ist er an der Berliner Staatsoper als
Rodolfo in Giacomo Puccinis „La bohème“ zu sehen. Harald Reiter
KlassikLink:
www.jonas-kaufmann.net
Live-Termine:
16./19.02. Berlin, Staatsoper Unter den Linden (La bohème)
24.02. München Herkulessaal
28.02. Hamburg, Laeiszhalle
01.03. Berlin, Staatsoper Unter den Linden (La bohème) |