Stuttgarter Zeitung, 31.08.2002
Von Markus Dippold
Stimmschwerenöter
Jonas Kaufmann singt erstmals den Florestan im "Fidelio"
Vor wenigen Monaten war Jonas Kaufmann noch als Jaquino in einigen Vorstellungen von Beethovens "Fidelio" in der Stuttgarter Staatsoper zu hören. Morgen debütiert er als Florestan. Ein künstlerischer Spagat? "Das war schon sehr lustig, mit der andern Partie im Kopf das noch mal zu machen, das hatte irgendwie einen besonderen Reiz. Vor allem musste man aufpassen, dass im Ensemble nicht die falsche Melodie kommt." Angst hat der junge Münchner Tenor nicht vor dieser anspruchsvollen Partie, die er unter Helmuth Rillings Leitung singen wird. 

Aber Respekt schwingt mit, wenn Kaufmann erzählt, dass die Stimme ernsthafte Schäden davontragen könne, wenn man sich zu früh auf dieses Repertoire festlege und sich nicht genügend Zeit zum Ausruhen gönne. Deshalb nimmt er nach wie vor gerne Angebote für leichtere und lyrische Partien an, wie Tamino in der "Zauberflöte" oder den Lindoro in Paisiellos "Nina", den er im Frühjahr neben Cecilia Bartoli in Zürich gesungen hat. Den Florestan hat er akzeptiert, "weil das Angebot von der Bachakademie gekommen ist und ich Vertrauen zu Helmuth Rilling habe, dass das keine Fortissimo-Orgie wird". Das Konzert soll für Kaufmann ein Testlauf sein, damit er die Partie in einigen Jahren auf einer Opernbühne übernehmen kann. 

Erfahrungen auf der Bühne hat der Tenor trotz seiner Jugend (Kaufmann ist Jahrgang 1969) schon viele gemacht. Bereits während seiner Studentenzeit an der Münchner Musikhochschule sang er in Produktionen der dortigen Opernschule und bekam darüber hinaus Gelegenheit, in kleinen Partien im Theater am Gärtnerplatz und in der Bayerischen Staatsoper aufzutreten. Nach der Elevenzeit in Saarbrücken, wo er sich für zwei Jahre an das Ensemble band und "acht Stunden am Tag, fünf oder sechs Tage die Woche" alles singen musste, was Tenor' hieß", kam Kaufmann nach Stuttgart. 

Dort wurden die Herausforderungen zunehmend größer: Graf Almaviva in Rossinis "Il barbiere di Siviglia" und zuletzt Alfredo in "La Traviata". Auf dem Konzertpodium konnte man erleben, dass die Stimme größer und schwerer geworden ist. "Irgendwo zwischen lyrisch und lirico-spinto würde ich mich einordnen, sozusagen weich mit peng"', charakterisiert Kaufmann lachend seine Stimme. 
Von Stuttgart aus kam unaufhaltsam der Weg zu größeren Aufgaben und Debüts an Opernhäusern rund um den Globus. "Ich bin zurzeit Ensemblemitglied in Zürich, es ist angenehm, ab und zu nach Hause zu kommen, in Ruhe mit bekannten Kollegen und einem festen Ensemble zu proben." Gleichzeitig lasse ihm sein Vertrag genügend Freiraum für Gastspiele: sie bescheren Jonas Kaufmann bis 2007 einen ausgebuchten Terminkalender. Die Titelpartie in Berlioz' "La damnation de Faust" hat er mit überwältigendem Erfolg in Brüssel gesungen, den Cassio in Verdis "Otello" verkörperte er in Chicago, und den Sängerolymp Met in New York hat er mit dem Alfredo in "Traviata" erklommen. 

In Zukunft werden der Gounod-"Faust", der Rodolfo in "La Boheme" und der "Rigoletto"-Herzog wichtige Stationen auf dem Weg vom lyrischen zum heldischen Fach sein.






 
 
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