Nürnberger Nachrichten vom 30.04.1993
Feuilleton, Schleicher Fritz
Nachwuchs mit Karriere-Chancen
Nürnberger Meistersänger-Wettbewerb auf hohem Niveau - Sechs Sieger gewannen 31 000 Mark - Sonntag Konzert Nachwuchs mit Karriere-Chancen Nürnberger Meistersänger-Wettbewerb auf hohem Niveau - Sechs Sieger gewannen 31 000 Mark - Sonntag Konzert

Beim Nürnberger Meistersänger-Wettbewerb wurde gestern zum erstenmal seit Bestehen ein erster Preis vergeben. In der Endrunde im Opernhaus errang Evelyn Herlitzius die mit 10 000 Mark dotierte Trophäe. Einen zweiten Preis (7000 Mark) gewann die am Meistersinger-Konservatorium studierende Sopranistin Irmgard Vilsmaier. Insgesamt hatten 62 Bewerber teilgenommen.

Je einen dritten Preis (5000 DM) errangen Claudia Taha und Stefan Geyer; zwei Förderpreise (je 2000 DM) gingen an Renate Düerkop und Jonas Kaufmann.
Professor Konrad Richter (Musikhochschule Stuttgart), der Vorsitzende der internationalen Jury, lobte das hohe Niveau der künstlerischen Leistungen dieses zur Förderung des deutschen Sängernachwuchses ausgerichteten Wettbewerbs.

Richter gab zu, daß die sieben Juroren bei den ersten Durchgängen rigoros gesiebt hatten. Sieben Tage lang stellten sich die Kandidaten der Konkurrenz; für die Endrunde (mit Orchester) qualifizierten sich vier Sopranistinnen, ein Tenor und ein Bariton. Der Wettstreit der Finalisten gestern vormittag im Opernhaus geriet denn auch besonders spannend. Bühnen- und podiumsreif waren alle, einige sind bereits mit Anfängerverträgen in Theater-Engagements.

Die Siegerin Evelyn Herlitzius, 1963 in Osnabrück geboren, hat in einem Meisterkurs bei Birgit Nilsson Wagner gelernt. Sie sang Elsas Monolog "Einsam in trüben Tagen" mit dramatischer Strahlkraft und tragfähigem Piano, brachte in Beethovens Leonore auch lyrische Qualitäten ein.

Die mit dem 2. Preis ausgezeichnete Irmgard Vilsmaier, die jüngste der Endrunde (1970 in Dingolfing geboren) die in Nürnberg bei Barry Hanner studiert, wählte ebenfalls eine dramatische Wagner-Partie: die Hallen-Arie der Elisabeth. Mit üppiger Substanz und starkem Ausdruck gestaltete sie Wagner und Smetana (Marie).

Die weiteren Preisträger fielen im Standard nicht ab, die Wertungen mußten eng nebeneinander liegen. Mit anrührender Innigkeit sang Claudia Taha aus Karlsruhe die g-Moll-Arie der Pamina und die Agathe aus Webers "Freischütz". Der dritte Preis war wohl verdient. Ebenso für Stefan Geyer aus Ulm, der sich als Lied- und Oratoriensänger profilierte (Bach und Mahler).

Auch Renate Düerkop und Jonas Kaufmann, die "nur" einen Förderpreis erhielten, brauchen sich um ihre berufliche Zukunft keine Sorgen zu machen. Düerkop errang mit Strauss (Ariadne) und Verdi (Maskenball) viele Sympathien. Der Münchner Jonas Kaufmann kann sich im raren Tenorfach gute Chancen errechnen. Er spannte den Bogen von Mozart (Tamino) bis Donizetti (Nemorino).

Der Nürnberger Meistersänger-Wettbewerb aus privater Initiative (Leitung: Günther Hertel und Bernd Dietrich) gewinnt beim vierten Mal weiter an Attraktivität. Die sechs Sieger bestreiten das Abschlußkonzert am Sonntag, 2. Mai, 19.30 Uhr im Opernhaus. Es spielen die Nürnberger Symphoniker. F. S.






 
 
  www.jkaufmann.info back top