Opernglas, März 2013
J.-M. Wienecke
 
Die Walküre

Da ein »Ring«-Start mit dem populären ersten Tag der Tetralogie sich nun einmal werbewirksamer verkaufen lässt, als ein regulärer Auftakt mit »Rheingold«, ist der Marketing-Coup, zunächst mit der »Walküre« zu beginnen, verschmerzbar, zumal damit ein würdiges Geschenk für den Jubilar Richard Wagner geschmiedet werden konnte. Valery Gergiev geht nicht nur als Dirigent furios ans Werk, sondern selten gelang es bisher auch, eine Besetzung derart aus einem Guss zusammenzubringen, die alle tragenden Partien mit Künstlern auf dem Höhepunkt ihrer persönlichen Entwicklung präsentiert und selbst darüber hinaus bis in die kleinsten Details überzeugt. Als Sponsor genannt wird die Japanerin Yoko Nagae Ceschina, deren Mäzenatentum schon manche spektakuläre Konstellation ermöglicht hat. Am Ende zählt das wunderbare Ergebnis dieser Neuaufnahme aus dem akustisch ausgezeichneten Petersburger Konzertsaal, die pure Freude und vor allem Lust auf Mehr macht.

Mit dem mitreißenden Wälsungenpaar von Anja Kampe und Jonas Kaufmann spielt die über den Zeitraum von 10 Monaten entstandene, klangtechnisch brillante Aufnahme ihren ersten Trumpf aus. Beide singen mit beispielhafter Textverständlichkeit und machen den ersten Aufzug so zu einem furiosen Erlebnis. Die in Thüringen geborene Sopranistin hatte erst vor Jahresfrist mit der Sieglinde im neuen Kriegenburg-»Ring« an der Bayerischen Staatsoper reüssiert. Ihr klarer Sopran brennt auch in der fast zeitgleich entstandenen Aufnahme mit vokaler Hingabe, kostet sowohl die zarten Momente in den geradezu hypnotisierenden Begegnungen mit Siegmund voll aus. Für die Szenen mit großem Effekt wie „Der Männer Sippe" oder den leidenschaftlichen Abschied von Brünnhilde („O hehrstes Wunder") verfügt sie über die notwendigen Reserven. Dieses Paar begeistert nicht zuletzt dank Kaufmanns Bilderbuch-Siegmund. Das maskulin markante Baritontimbre seines robusten Materials erweist sich für den Wälsungenspross als geradezu ideal. Mit perfekter Deklamation, vielen Nuancen des Vortrags und wunderbar gestählten Spitzentönen gestaltet er ein sehr individuelles Porträt des scheiternden Helden, der sich vergeblich gegen sein Schicksal aufzulehnen versucht. Zumal in bester Tagesverfassung wie hier, singt ihm diesen Siegmund so schnell keiner nach.

Mit Nina Stemme hat man die derzeit führende Wagner-Sängerin an die Newa verpflichtet, für die inzwischen selbst größte Fußstapfen nicht mehr zu groß sind. Ihre Brünnhilde weckt Erinnerungen an die legendären Vorgängerinnen aus ihrer schwedischen Heimat. Wie ein guter Wein gereift, hat ihr Sopran jetzt auf ganz natürliche Weise, ohne zu früh in das schwere Fach einzusteigen, seine finale Bestimmung gefunden. Die jubelnden Walküren-Rufe elektrisieren ebenso wie die wunderbar aufblühenden Gesangsbögen in der tief bewegenden Abschiedsszene mit Wotan. Stemme wird so tatsächlich zum Zentrum der Aufnahme. Und auch der Wotan von René Pape schöpft aus dem Vollen. Der Bassbariton kostet mit perfekt geführter Stimme jede Zeile aus, macht den Text zum Ereignis, die langen Monologe des zweiten Aufzugs zum spannenden Kurzfilm mit Prädikat. Der balsamische Wohlklang überwältigt, die Stimme schraubt sich ohne Mühe und mit strahlendem Fokus in die exponierten Passagen, dass es die reine Freude ist.

Ekatarina Gubanovas exzellente Fricka besticht mit hervorragender deutscher Aussprache, lediglich bei Mikhail Petrenkos dunkel tönendem Vollblutbass hört man das fremdsprachige Idiom leicht durch. Die in seinem Fall ungewöhnlich jugendliche Ausstrahlung Hundings beredet zusätzlichen Genuss. Da verwundert es nicht, dass auch für die Auswahl der acht wohltönenden Walküren große Sorgfalt an den Tag gelegt wurde.
Valery Gergiev führt sein Mariinsky-Orchester sicher durch die drei Akte, setzt Akzente, weiß um die Dramaturgie des Stücks. Das Ensemble besticht durch große Transparenz im Klangbild, satten Streicherzauber und exzellente Leistungen an den Solopulten. Durch seine dunkle Grundierung klingt dieser russische Wagner zu keiner Zeit fremd. Noch immer ist Gergievs Dirigat gut für Überraschungen bei der Wahl der Tempi, übers Ganze unterscheidet er sich dabei allerdings nur wenig von berühmten Pultlegenden. Er versteht es, sein Orchester mitzureißen, auch einmal entspannt musizieren zu lassen und steuert dann auf den Punkt zu, wenn es wirklich darauf ankommt.






 
 
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