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Tiroler Tageszeitung, 22. Mai 2013 |
Von Ursula Strohal |
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Mit Inbrunst im Herzen |
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Das Wagner-Jahr erlebt heute mit dem Geburtstagsgedenken seinen Höhepunkt. Zwei Wagner-CDs zur Diskussion, Leidenschaft und Distanz in neuer Literatur. |
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Zwei
deutsche Tenorstars unserer Tage hat man losgelassen auf das Jubiläum, mit
„Wagner“-Rezitals, deren Überschneidungen zum Vergleich herausfordern – aber
Klaus Florian Vogt (Sony) und Jonas Kaufmann (Decca) sind kaum vergleichbar.
Kaufmanns viriler Sinnlichkeit und moderner Rollenauffassung, die
Variationen des Sehnens und Scheiterns thematisiert, steht Vogts silberne
Reinheit in der Attitüde der deutschen Romantik gegenüber. Rienzis Gebet,
Stolzings „Am stillen Herd“ und Siegmunds „Ein Schwert verhieß mir der
Vater“ haben beide aufgenommen, auch Lohengrin, aber nicht dasselbe Stück.
Vogt reicht noch Ausschnitte aus „Parsifal“, „Tristan und Isolde“ (Duett 2.
Akt mit Camilla Nylund, mit ihr ebenfalls „Walküre“) und „Holländer“.
Kaufmann präsentiert ferner Siegfried, Tannhäuser und – Überraschung – die
bisher nur von Frauen gesungenen Wesendonk-Lieder.
Auch mit diesen
Liedern, die Wagners tristannahen Lebens- und Liebesschmerz in der Schweiz
artikulieren, steigt Kaufmann in emotionale Tiefen, spielt seine
gestalterischen Vorzüge aus. Festzumachen sind diese in genauem Vollzug des
Notentextes, einer kraftvollen Sensibilität und einer legatoreichen
Musikalität, die sich in der Partnerschaft mit dem von Donald Runnicles
geleiteten Orchester der Deutschen Oper Berlin erweist. In
Rollenglaubwürdigkeit und, zum Beispiel als Siegfried, neuen Perspektiven.
Kaufmanns baritonaler Tenor mit sicheren Höhen und, wie Tannhäuser sagt,
„Inbrunst im Herzen“, überwältigt dunkel, erotisch und nuancenreich. Nicht
zu überhören ist Kaufmanns Kehligkeit und eine generell langsame Tempowahl.
Vogts helles Timbre spaltet die Gemüter, sein vokales Leichtgewicht mit
fehlender Tiefe, farbarmer Mittellage und strahlender Höhe beleidigt die
Anbeter rustikaler Wagnerhelden und ist tatsächlich in diesem Fach
gewöhnungsbedürftig. Parsifals Naivität und Lohengrins schimmernde
Transzendenz, beides gefeierte Vogt-Rollen, mögen aufgehen. Tristan fehlt
Ausstrahlung und Sinnlichkeit, und in den „Meistersingern“ klingt er mehr
nach David denn Stolzing und generell sind die Rollen austauschbar. Die
Bamberger Symphoniker unter Jonathan Nott sind auf frühe Romantik und
Zurückhaltung eingestellt.
Und doch Gemeinsamkeiten: deutliche
Aussprache und, wenn auch mit ganz unterschiedlichem Ergebnis, das Bemühen
um einen Belcanto-Ansatz. Richard Wagner wollte das ausdrücklich so, Gustav
Kuhn pflegt das seit Jahrzehnten ausdrücklich so. Jetzt wissen es Kaufmann
und Vogt. Geht doch.
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