Fono Forum, Oktober 2013
Bjørn Woll
 
Prachtstimme für Verdi
Viel ist geschrieben worden über dieses hohe B. Jene grausam exponierte Note am Ende von „Celeste Aida", auf der Verdi von seinem Tenor nicht nur ein Pianissimo, sondern danach noch ein Morendo (ersterbend) verlangt. Kaum ein Tenor der Aufnahmegeschichte hat das auch nur annähernd bewältigt. Jonas Kaufmann nimmt dieses B im Pianissimo und lässt es im Nichts verklingen. Dass er sich dabei des Falsetts bedient: geschenkt! Nur bei den wiederholten Aufstiegen zu den Fs, die ihm etwas zu weit „in den Hals rutschen'', ist eine alte Marotte des Tenors zu bemängeln: Das gestützte Piano war noch nie seine Lieblingsdisziplin. Eine Eigenart, die Jonas Kaufmann heute jedoch deutlich besser im Griff hat als noch vor ein paar Jahren.

Und auch sonst gibt es stimmlich kaum etwas zu bemängeln, denn der Sänger glänzt nicht nur mit seinem aufregenden Tenor, sondern auch mit dramatischem Gespür. Im Gegensatz zu Mario del Monaco, der trotz seiner Prachtstimme den Hörer mit einem ermüdenden Dauerforte langweilte, durchdringt Kaufmann jede seiner Rollen, findet klangliche Chiffren für die Emotionen der Charaktere. In Riccardos „Ma se nie forza perderti" weint er mit rein stimmlichen Mitteln emphatische Tränen des Abschieds. Beindruckend dann die Durchschlagskraft der Stimme in der Tour de forte von Manricos „Di quella pira": Mit metallischer Verve schmeißt er sich in den Waffenruf der Stretta, gekrönt von einem imposanten hohen C. Was dem Tenor hier abverlangt wird, hört man sogar einem Ausnahmesänger wie Jonas Kaufmann ab: Es dauert die Winzigkeit eines Augenblicks, bevor er den Ton richtig „zu fassen" bekommt.

Als Don Carlo hat er gerade bei den Salzburger Festspielen triumphiert. Ein berechtigter Erfolg, wie das hinreißende Freundschaftsduett mit Franco Vassallo auf dieser CD beweist: betörend, wie die beiden für eine „Fülle des Wohlklangs" sorgen. Ein Ausblick in die Zukunft sind dann die beiden Szenen aus „Otello". An die Intensität der Rollengestaltung von Jon Vickers kommt Kaufmann zwar noch nicht heran. Der erstickte Anfang des „Dio! mi potevi", die schmerzliche Mezza voce und die Steigerung in die „kontrollierte Ekstase", so der Sänger selbst, des Endes lassen aber schon jetzt den Puls eines jeden Gesangsfetischisten vor Vorfreude höher schlagen.

Nach dem sensationellen Wagner-Recital (siehe FF 05/13) erweist sich Jonas Kaufmann nun auch als Verdi-Sänger par excellence. Wobei seine Stimme im Moment vor allem für die Spinto-Rollen aus „Un ballo in maschera" und „La forza del destino" die richtige Signatur hat, beides Durchgangspartien auf dem Weg zum hochdramtischen Gipfelpunkt: dem „Otello". Gleichzeitig markiert die Platte den Wechsel zur neuen Plattenfirma Sony. Kaufmann folgt damit seinem ehemaligen Vertrauten bei Decca, Bogdan Roscic, der seit 2009 die Klassiksparte bei Sony Music leitet.







 
 
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