Abendzeitung, 12.09.2013
Robert Braunmüller
 
Jonas Kaufmanns neue CD - Ein starker Auftritt
Nach hervorragenden Wagner-Platten legt Jonas Kaufmann nun ein nicht minder überzeugendes Verdi-Recital vor

Typische Herzöge haben helle, metallische Stimmen – wie früher Luciano Pavarotti oder heute Joseph Calleja. Jonas Kaufmanns Tenor ist dunkel und baritonal. Aber der Münchner versucht gar nicht, die Italiener zu imitieren. Er singt „La donna e mobile“ aus Giuseppe Verdis „Rigoletto“ mit gebremstem Tempo: Sein Herzog ist ein nachdenklicher Draufgänger.

Das überrascht, aber es ist eine denkbare Interpretation einer Nummer, der man nicht leicht etwas Neues abringen kann. Auch auf der restlichen Stunde seines Verdi-Albums erweist sich Kaufmann als überragender Interpret, der seine spezifischen Möglichkeiten klug einsetzt, ohne dabei die Sinnlichkeit der Musik und seiner Stimme intellektuell abzukühlen. Er ist ein Sänger, der Herz und Hirn anspricht – und damit ein Solitär unter den Operninterpreten.

Am Ende der Romanze des Radamés aus „Aida“ gibt es das hohe B „un trono vicino al sol“ im von Verdi vorgeschriebenen Pianissimo und sogar „morendo“ – also verklingend. Carlo Bergonzi schaffte das auch, aber viele andere große Tenöre haben sich hier über die Partitur hinweggesetzt oder sich in Interviews über den Komponisten beschwert.

Jonas Kaufmann demonstriert, dass Kraft hier nicht zur kammermusikalischen Orchesterbegleitung passt. Die Canzone und die Romanze aus „Un ballo in maschera“ singt der Münchner mit französischer Eleganz. In „Quando le sere al placido“ aus „Luisa Miller“ hört man wieder das unter Conaisseuren nicht unumstrittene, verschattete Piano. Umwerfenden Kraftgesang gibt es in einer Szene aus „I masnadieri“ und der Stretta des Manrico aus „Il trovatore“ zu hören. Kaufmann wählt die Originaltonart, hält das umstrittene C gerade so lang, wie es noch geschmacklich vertretbar ist.

In der mit unterdrückter Wut gesungenen Szene des Adorno aus „Simon Boccanegra“ zeigt Kaufmann, dass eine schwerere Stimme hier besser passt als das heute übliche Leichtgewicht. Bei der Arie des Alvaro kommt Vorfreude auf die bevorstehende Premiere von „La forza del destino“ im Nationaltheater auf: Kaufmann charakterisiert die Figur als düsteren, romantischen Helden, dessen Lebensgefühl von Verzweiflung und Weltschmerz getränkt ist.

Beim Freundschaftsduett aus „Don Carlos“ verzichten Kaufmann und Franco Vasallo auf das übliche Dauerforte. Wie neuerdings auf Arienplatten dankenswerterweise üblich, spielen das Orchester der Oper von Parma und der Chor des Theaters von Piacenza unter Pier Giorgio Morandi die Szene komplett mit Chor und Bass-Solo. Als Zugabe gibt es in der Luxusversion der CD noch eine schmerzliche Version der Arie des Macduff aus „Macbeth“. Richtig spannend wird es noch am Schluss: Der Monolog aus dem dritten „Otello“-Akt und die Schlussszene sind ein Versprechen: Kaufmann singt mit großer Klangentfaltung, ohne in heftige Affektgesten zu verfallen. Sie sind wie die ganze Platte: ein starker Auftritt.








 
 
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