Opernglas, Dezember 2012
Th. Baltensweiler
 
Tosca
Das Bühnenbild: wie gehabt. Die Kostüme: dem Ottocento zugehörig. Die »Tosca«-Inszenierung aus dem Royal Opera House Covent Garden, die Jonathan Kent 2006 herausgebracht hat, weist zunächst wenig auf, was eine Aufzeichnung für DVD rechtfertigen würde. Doch für das von Duncan Macfarland szenisch betreute Revival vom Sommer 2011 war die Produktion offenkundig sorgfältig aufpoliert worden, sodass die Kamera recht überzeugend Stars in Nahaufnahme präsentieren konnte. Wie in der Premiere sangen Angela Gheorghiu und Bryn Terfel; neu zur Besetzung hinzugestoßen war Jonas Kaufmann als Cavaradossi. Das sorgte für Spannung, denn die Gheorghiu und Kaufmann sind ein bestens aufeinander eingespieltes Duo - ein Duo, das in diesem Mitschnitt kaum die Finger voneinander lassen kann und der Beziehung Tosca-Cavaradossi den Stempel der Leidenschaftlichkeit aufdrückt. Dazu passt hervorragend, dass auch Bryn Terfel seinen Scarpia ganz nach der erotischbegehrlichen Seite anlegt: ein Triebtäter hinter der Maske des Polizeichefs. Neben dessen wild ungepflegter Erscheinung darf Kaufmann als Cavaradossi ganz den Strahlemann geben, dem Gheorghius Tosca trotz Divenallüre ihren Ärger über die Ähnlichkeit des von ihm gemalten Altarbildes mit der Attavanti nicht lange nachtragen mag. Im zweiten, mehr aber noch im dritten Akt verliert sich die Konzentration des Agierens.

Reduziert auf das Singen, vermittelt Jonas Kaufmann passionierten Ausdruck in stärkerem Maße als seine Partnerin: Mit elegantem Legato, rundem Klang, Strahlkraft in der Höhe - und selbst die heikle Stelle bei „La vita mi costasse" vermag er unforciert in Angriff zu nehmen und effektvoll mit einem Schluchzer zu versehen. Allerdings rutscht ihm das Piano zuweilen etwas weit in den Hals. Gheorghiu wirkt als Floria Tosca nicht in ihrer stimmlichen Domäne. Ähnlich wie bei der »Fedora«, die sie auf CD eingespielt hat, gewinnt man den Eindruck, die Partie sei perfekt vorgetragen, die Phrasierung bis ins Detail ausgetüftelt, ein unerfüllter Rest aber bleibe. Das liegt wahrscheinlich nicht einmal daran, dass die Gheorghiu grundsätzlich dem Wohllaut die Treue hält; es ist vielmehr das vokale Gewicht, von dem sie zu wenig in die interpretatorische Waagschale werfen kann. Eine lyrische Stimme klingt letztlich immer anders als eine genuin dramatische. Das erweist sich auch bei dieser bestechend konzipierten Rollengestaltung-es bleibt bei der Annäherung.

Bryn Terfel dagegen ist gesanglich mit jeder Faser ein imposanter Scarpia, der mit seinem kräftigen Bariton die Akzente seiner Darstellung markant hervorhebt. In allen Lagen weiß er aufzutrumpfen, aber versteht es auch, schnarrend-leise Bedrohlichkeit zu erzeugen. Lukas Jakobski (Cesare Angelotti) und Jeremy White (Sakristan) leihen ihren Rollen ebenfalls volle, gesunde Stimmen. Die Kollektive des Royal Opera House - der Chor und das
Orchester-befinden sich auf dem Niveau, das man von diesem Haus erwartet. Antonio Pappano achtet auf eine meist sängerfreundliche Wiedergabe, sodass ihm keine Primadonna zürnen könnte. Daneben aber bietet er Reaktionsschnelligkeit erfordernde Impulse und eine prägnante Aufgliederung der musikalischen Textur.






 
 
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