Mannheimer Morgen, 8. Februar 2008
Stefan M. Dettlinger
Ein Tenor unter der Dusche
 
Klassik: Jonas Kaufmann erobert die Herzen mit Romantik
Wie unter der Dusche oder im Fahrstuhl sänge er heute, sagt Jonas Kaufmann - und meint damit wohl seinen unverstellten, wenn man so will, ungekünstelten Zugang zur Kunst des Gesangs. Gut ist das, weil beim Singen 80 Prozent Psychologie sind. Denkt jemand, er singe wie Gott, so hat er die größten Chancen, dass ihm dies auch gelingt; der Zweifler hingegen hat fast schon verloren. Schlecht ist das, weil die Versuchung zu glauben, man könne alles singen, groß, sehr groß ist.

Eines steht fest: Deutschland kann sich glücklich schätzen, dass es einen wie Kaufmann hat. Er entspricht in allen Parametern den Anforderungen des modernen Opernhelden à la Villazón oder Netrebko: Er ist hübsch, hip, kann verführerische Blicke entsenden und - ja, er singt auch noch mehr als erstaunlich. Sein Debüt-Album "Romantic Arias" (Decca) legt davon Zeugnis ab. Quer durch die Romantik arbeitet Jonas Kaufmann sich da, von Verdi bis Puccini, von Bizet bis Massenet und von Weber bis Wagner.

Einfach zu schön

Gerade im deutschen Fach aber muss man dann doch einmal die Lob-Bremse ziehen. Denn während sein Tenor in den drängenden Passagen der italienischen Arien eines Rodolfo ("La bohème") oder Cavaradossi ("Tosca") großen Glanz und leidenschaftliche Dramatik entwickelt und Herzen zum Schmelzen bringt, wirkt sein Wagner schier parodistisch. Ob absichtlich oder nicht - Kaufmanns "Morgenlich leuchtend im rosigen Schein . . .", Walther von Stolzings Preislied aus Wagners "Meistersingern von Nürnberg", wirkt fast so, wie wir Wagner noch nie gehört haben: operettenhaft, kitschig, flach, oder: einfach zu schön, um wahr zu sein.

Obwohl wiederum nicht alles schön daran ist. Im Pianobereich hat Kaufmann einige Unschönheiten zu bieten. Wo er im Forte offen, frei und brillant klingt, dringt sein leiser Ton zu dumpf, gedrängt und so an unser Ohr, als decke er sein Forte einfach nur mit einem Gegenstand ab (fast, aber nur fast fände das Schimpfwort des Knödelns hier Anwendung).

Begleitet wird er allerdings sehr gut. Marco Armiliato und die Prager Philharmoniker betten Kaufmanns Gesang üppig, aber sensibel ein und unterstützen die emphatischen Momente in idealer Weise. Nun können wir die Lob-Bremse wieder lösen. Deutschland kann froh sein, einen wie Kaufmann zu haben.






 
 
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