Neue Westfälische, 31.01.2008
VON ANKE GROENEWOLD
Jonas Kaufmann hat eine CD mit romantischen Arien eingespielt
Ein Tenor für alle Fälle
 
"Ich hasse es, hinsichtlich des Sexappeals eingeschätzt zu werden", sagt der deutsche Tenor Jonas Kaufmann. "Wenn niemand bemerkt dass man gut singt ist etwas falsch!" Aber dieser dunkel getönte Tenor zwingt einfach zum Zuhören . Auf den wichtigsten Opernbühnen der Welt feierte der Münchner bereits Triumphe. Was bisher einem Live-Publikum vorbehalten war gibt’s jetzt auch für den heimischen CD Spieler.

Der deutsche Tenor Jonas Kaufmann hat sich Zeit gelassen, ein Opern-Rezital auf den Markt zu bringen. Ungewöhnlich für einen Sänger, der auf den prestigeträchtigsten Opernbühnen wie der New Yorker Met, der Mailänder Scala oder dem Londoner Covent Garden längst Triumphe gefeiert hat.

Jetzt hat der 38-jährige Münchner, der bereits eine Platte mit Liedern von Richard Strauss veröffentlicht hat, einen Exklusivvertrag mit Decca abgeschlossen. "Romantic Arias" heißt sein erstes Album bei dem Label. Es vereint Arien, die Kaufmanns aktuelles Bühnenrepertoire widerspiegeln.

Erstaunlich ist die Bandbreite, die dem heutigen Trend zur Spezialisierung zuwiderläuft. Im glutvollen italienischen Belcanto bewegt sich Kaufmann ebenso souverän wie im subtilen Klangkosmos der französischen Romantiker Bizet, Berlioz, Gounod und Massenet.

Brillant sind aber vor allem die deutschen Arien wie das Preislied des Walther von Stolzing aus Wagners "Meistersinger" – dieses "Morgendlich leuchtend im rosigen Schein" erklingt so hinreißend warm timbriert, so süffig lyrisch und intensiv, dass man wünscht, es möge nie enden. Inbrünstig singt er "Ach, so fromm" aus Flotows "Martha". "Durch die Wälder, durch die Auen" aus Webers "Freischütz" vibriert vor Spannung und Energie. Unter den französischen Stücken überzeugt vor allem das herzzerreißende "Je suis seul" aus Massenets "Manon".

Der Mann traut sich viel. Es scheint ein kalkuliertes Wagnis zu sein. Kaufmann, der Fritz Wunderlich sein Idol nennt, strahlt Selbstbewusstsein aus. Nie beschleicht einen das Gefühl, er würde seiner kräftigen Stimme mehr zumuten, als sie vertragen kann. Die Höhen nimmt er unbekümmert. Die männliche, körnige Stimme hat eine dunkle, baritonale Klangfarbe. Sie ist wie geschaffen für die großen, schmachtigen Melodielinien des unvermeidlichen "E lucevan le stelle" aus Puccinis "Tosca".

Kaufmann singt mit Leidenschaft, sein Ausdruck ist differenziert und frei von Manierismen. Der Sänger gibt hörbar gern Gas. Im Piano, gerade in höheren Lagen, klingt seine Stimme manchmal etwas flach und hauchig. Auch haben sich einige kehlige Töne eingeschlichen.

Unter dem Strich eine sehr gelungene Platte, auch wenn es schade ist, dass sich Kaufmann auf das gängige Repertoire beschränkt. Der Künstler, verheiratet mit einer Sängerin, drei Kinder, ist auf dem besten Weg, ein perfekt vermarkteter Klassik-Star zu werden. Dabei hilft, dass der dunkel gelockte Mann mit dem Dreitagebart auch noch unverschämt gut aussieht – das Auge hört schließlich mit.

Kaufmann ist kein blutjunges Talent, sondern ein gereifter Sänger, der seine große Krise schon hinter sich hat: 1994 trat er ein zweijähriges Festengagement in Saarbrücken an – und sein auf hell und kopfig getrimmter Tenor streikte. Ein Lehrer machte ihm Mut, einen neuen Weg einzuschlagen. "Die Stimme, die ich nun einsetze, ist die, die ich in der Dusche oder im Fahrstuhl gebrauche", sagt er.

Unterstützung aus Ostwestfalen-Lippe erhält Jonas Kaufmann bei Konzerten am 24. Februar im Herkulessaal in München und am 28. Februar in der Laeizhalle in Hamburg: Die Nordwestdeutsche Philharmonie mit Sitz in Herford begleitet den Tenor.
 
 
 
 
 






 
 
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