Der Opernfreund, 15.2.2020
Renate Wagner
 
Jonas Kaufmann - Opera Collection
Fidelio, Nina, Il ritorno d'Ulisse in Patria
 
Am 10. Juli hat Jonas Kaufmann, geboren 1969 in München, seinen 50. Geburtstag gefeiert – mit vielen ehrenden Artikeln für einen deutschen Sänger, der es geschafft hat, heute unter den Spitzentenören vielleicht sogar die Nr. 1 zu sein. Für sein nunmehriges Fach, das hochdramatische, sind Alter, Stimme, Technik, Erfahrung ideal. Dazu kommt seine Vielseitigkeit – einer, der gleicherweise Wagner und Verdi singt, die Franzosen und die Veristen, Strauss und die Romantiker. außerdem Lieder, Operette, Populärmusik. Das macht ihm heute kaum einer nach.

Aber Jonas Kaufmann hat darüber hinaus natürlich auch viel dafür getan, dass diese Karriere in unserer Welt funktioniert, wo Popularität nicht nur auf der Bühne, sondern auch auf den Boulevard-Seiten der Zeitungen und in den sozialen Medien erlangt wird. Wobei es keinem Sänger – und je höher er thront, umso unerbittlicher – erspart bleibt, auf der Bühne dann nicht nur alles zu geben, sondern auch so außerordentlich zu sein, wie es sein Publikum erwartet.

Ein Geschenk „zum 50er“ für die Fans auf drei DVDs wird sie natürlich nicht davon abhalten, in die Konzertsäle zu pilgern, wenn Jonas Kaufmann aus Australien (von seinem konzertanten „Andrea Chenier“) zurückkehrt und nach einem Münchner „Otello“ im September am 14. Oktober dann im Wiener Konzerthaus eine enorme Tournee mit einem „Mein Wien“-Programm startet, die ab Jänner 2020 durch Deutschland und Europa führt. Die DVDs blenden zurück in die Anfänge des jungen Jonas Kaufmann, als er mit etwas über 30 Jahre alt am Opernhaus Zürich Fuß fasste. Nun gibt es ja von Kaufmann zahlreiche DVDs von seinen Auftritten in New York, London, München, Salzburg, auch in seinen großen Rollen. Doch es ist wirklich interessant, auf seine Anfänge zurück zu blicken.

Die drei Opernmitschnitte fallen in die Züricher Intendanz von Alexander Pereira, der erstens eine Hand für junge Sänger hatte (er hat ja auch Beczala aus Linz geholt und viele mehr) und der es liebte, seine Produktionen aufzeichnen zu lassen, wofür man ihm nur dankbar sein kann.

Der junge Kaufmann also – im Februar 2002 sang er in Monteverdis „Il Ritorno d’Ulisse in Patria“ den Telemaco, eine klassische Nebenrolle für einen jungen Tenor, der Sohn des Helden, den Dietrich Henschel eindrucksvoll verkörperte, gleichwertig neben der großartigen Vesselina Kasarova als Penelope, später in Zürich die Carmen zu Kaufmanns José, hier für Monteverdi unter Harnoncourt sicher einen Höhepunkt ihrer Karriere erlebend. Da konnte der junge Kaufmann bei solchen Partnern, bei einem solchen Dirigenten, in der eindrucksvoll schlichten, symbolstarken Inszenierung von Klaus Michael Grüber nur froh sein, dass er mithalten und lernen konnte.

Zwei Monate später, im April 2002, hatte Kaufmann wieder Premiere. „Nina“ von Giovanni Paisiello erscheint nur selten auf den Spielplänen, in diesem Fall (Zürich war immer eine zentrale Station für sie) setzte man die Oper für Cecilia Bartoli an. Sie wird aus verzweifelter Liebe verrückt, weil sie denkt, ihr Liebhaber sei tot (was seine Rolle auch nicht so groß sein lässt). Sie ist brillant, wie zu erwarten (es ist auch schon wieder 17 Jahre her), aber Kaufmann zeigt in Stimme und Erscheinung (und ambitioniert in der Darstellung), dass aus diesem sehr jung wirkenden Mann mit komödiantischer Suada mehr werden kann als ein italienischer Spieltenor (der er in dieser Rolle ist).

Seinen Durchbruch erlebte er dann 35jährig im Jänner 2004 in der „Fidelio“-Inszenierung von Jürgen Flimm. Kaufmann und Camilla Nylund als Leonore waren geradezu „lyrische“ Besetzungen für ihre Rolle, wie es Nikolaus Harnoncourt gerne tat (in seinem Wiener „Fidelio“ sangen mit Juliane Banse und Michael Schade ähnliche Stimmen). Die Fernsehaufzeichnung zeigt, wie sehr sich Kaufmann – verwirrt, zerrauft, ein bisschen im Jesus-Christus-Look – in die Rolle stürzte, dabei weit mehr auf Schöngesang als auf Hochdramatik setzend (die Stimme klang damals heller, noch nicht so guttural wie heute). Schon zwei Jahre später war er an der Met, sang er in Zürich seinen ersten Parsifal, in London den Don José. Er war auf dem Weg, und er ist ihn klug gegangen bis heute.






 
 
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