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Opernglas, 11/2013 |
S. Martens |
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Messa da Requiem
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Er
nimmt einen sofort gefangen, dieser an der Schwelle der
Hörbarkeit spielende Streichersatz, gepaart mit den erstickten
Stimmen des Chores, die Fürbitte um ewige Totenruhe halten: So
der ergreifende Beginn von Verdis »Messa da Requiem«, der den
Hörer sofort in eine andere Welt zu versetzen vermag. Kein
Wunder, hatte Dirigent Daniel Barenboim mit dem Chor (Bruno
Casoni) und Orchester des Teatro alla Scala sowie einem
illustren Solistenquartett ein Kollektiv um sich versammeln
können, dass in den Mailänder Mitschnitten des Sommers 2012 kaum
Wünsche offen ließ — sofort nach dem beginnenden „Requiem
aeternam" im groß angelegten „Kyrie" hörbar, in das vor allem
Jonas Kaufmann urplötzlich wie eine Naturgewalt hereinbricht.
Der Dirigent tut es ihm gleich, wenn er im „Tag des Zornes"
(„Dies irae") , das dem später komponierten Gewittersturm in
»Otello« so ähnlich ist, mit entfesselten Bläsern und
durchdringendem Schlagwerk die Toten vor das ewige Gericht ruft.
Es folgt Elina Garančas Solo „Liber scriptus", das die Lettin
mit ihrem höhensicheren und voluminösen Mezzo tadellos meistert.
Im klagenden und bangfragenden „Quid sum miser" tritt dann
erstmals der geschmeidige, ätherische und im Laufe der Aufnahme
oftmals über allem schwebende Sopran von Anja Harteros in
Erscheinung, die gemeinsam mit ihren Sängerkollegen und den
mächtigen Chormassen im anschließenden „Rex tremendae
majestatis" außerordentlich effektvoll um Gnade bittet. Einen
kurzen Augenblick zum Innehalten und Durchatmen bieten Harteros
und Garanca in der Anrufung Gottes „Recordare", während Erstere
sich stimmlich stets ein wenig präsenter darstellt. Einen großen
Auftritt, wenn auch mit ab und an leicht bedeckt klingender
Stimme, legt Kaufmann im berühmten „ Ingemisco" hin, während der
Vortrag von Rene Pape im sich anschließenden „Confutatis" nicht
über eine solide Leistung hinaus kommen will. Hingegen das
gemeinsam musizierte „Lacrimosa" einen wunderbar homogenen
Eindruck hinterlässt und dabei seine morbide Wirkung nicht
verfehlt.
Licht, beinahe heiter und vor allem balsamisch
schön (Harteros) lassen dann sämtliche Beteiligten den Hörer im
„Offertorio" in einer fast surrealen Welt zurück. Aber auch
Jonas Kaufmann singt in „Hostias et preces tibi" schlichtweg
hinreißend, während der vom Orchester traumhaft musizierte
Schluss die deutlichen Anklänge an das tragische Ende von Aida
und Radames in Verdis später komponierter Oper betont. Nicht zu
vergessen das „Agnus Dei", das von den beiden Frauenstimmen im
völligen Einklang mit dem stets famos agierenden Chor der Scala
regelrecht zelebriert wird, während Garanča, Kaufmann und Pape
noch einmal stimmungsvoll das „Lux aeterna" meistern. Das
ergreifende Finale gehört dann freilich Anja Harteros, die im
„Libera me", Verdis zusätzlich zum eigentlichen Requiem-Text
vertonter Ergänzung, mit einem bald überirdisch schönen, bald
regelrecht fordernden Erlösungsgesuch den Hörer ebenso
erschüttert wie begeistert zurücklässt.
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