Opernwelt, September/Oktober 2015
Thomas Seedorf
 
DISZIPLINIERTER EXPRESSIONISMUS
 
Mit wohllautender Klangfülle und hinreißenden Spitzentönen! - Jonas Kaufmann singt Puccini
 
Nach Alben mit Arien und Szenen von Wagner und Verdi erweitert Jonas Kaufmann sein diskografisches Spektrum großer Tenorpartien nun um Ausschnitte aus Opern Puccinis. In einigen Partien ist er weltweit erfolgreich im Einsatz, als Cavaradossi schon seit einigen Jahren, in jüngster Zeit auch als Dick Johnson in «La fanciulla del West» und vor allem als Des Grieux in «Manon Lescaut». Diese Werke sind auch auf dem Puccini-Album prominent vertreten, in den Ausschnitten aus «Manon Lescaut» hat Kaufmann mit Kristine Opolais zudem eine vertraute Bühnenpartnerin an seiner Seite.

Die Erfahrung mit dieser Partie, die zu den wohl heikelsten Puccinis gehört, ist der Studioproduktion anzuhören. «Donna non vidi mai» schwelgt in begeistertem Wohllaut, das Duett mit Manon aus dem zweiten Akt zeichnet die Fieberkurve der Wiederbegegnung der Protagonisten eindrucksvoll nach, für «Ah! Manon mi tradisce» findet Kaufmann die richtige Mischung aus Verzweiflung und Wut, im Schlussgesang des dritten Akts schließlich wagt er sich, berstend vor Expressivität und dennoch kontrolliert, an die Grenzen seiner Stimme.

Auch den beiden Ausschnitten aus «La fanciulla del West» ist anzumerken, dass Kaufmann die Rolle des Banditen wider Willen von der Bühne her vertraut ist. Neben dem bekannten «Ch'ella mi creda libero» aus dem Schlussakt ist die große Arie aus dem zweiten Akt zu hören, deren gefährliche Höhenzüge Kaufmann mit Bravour meistert. Ohnehin kann er mit acuti bellissimi, hinreißenden Spitzentönen, im Überfluss aufwarten wie nur wenige seiner aktuellen Kollegen.

Kaufmann vergisst darüber aber nicht, dass die vokalen Glanzlichter letztlich nur Höhepunkte sind, neben denen der Rest der Musik nicht abfallen darf. Die Dunkelheit seiner Stimme lässt auch Töne in mittlerer und tiefer Lage klangvoll in Erscheinung treten, auch wenn manche Vokale etwas stumpf geraten und dem Piano jene klangliche Dichte fehlt, über die Tenöre früherer Generationen noch wie selbstverständlich verfügten.Kaufmann hat freilich Mut zum Leisesingen, auch dort, wo es ihm hörbar schwerfällt wie in der Arie «0 soave vision» aus «Edgar». Cavaradossis «Recondita armonia» allerdings hätte das Spiel mit mehr Pianofarben gutgetan, in Rinuccios Arie aus «Gianni Schicchi» sucht Kaufmann rollengemäß einen etwas schlankeren Ton, findet ihn aber nicht immer. In Calafs «Nessun dorma» kann er sich noch einmal wunderbar verströmen.

Dass es Kaufmann insgesamt gelingt, Puccinis höchst differenzierte Vortragsanweisungen atmosphärisch wie stimmlich schlüssig umzusetzen, obwohl er, wie italienische Kritiker nicht müde werden zu betonen, nicht wie ein italienischer Tenor der großen alten Tradition singt, ist auch das Verdienst von Antonio Pappano, der Chor und Orchester der Accademia Nazionale di Santa Cecilia zu disziplinierter Expressivität anhält.







 
 
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