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Salzburger Nachrichten, 09.09.2015 |
Von Ernst P. Strobl |
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Jonas Kaufmann ist der Strahlemann der Sängerzunft |
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Das Konzert von Jonas Kaufmann aus der
Mailänder Scala kommt ins Kino. Auch sonst gibt es Neues vom Tenorissimo. |
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Er
ist nicht nur der begehrteste Tenor der Gegenwart, sondern wohl auch der
umtriebigste. Jonas Kaufmann hat es nach oben geschafft. Was er anpackt,
gelingt scheinbar mühelos. Wie er bei den Salzburger Festspielen die Rolle
des Florestan in Beethovens "Fidelio" meisterte, war atemberaubend gespielt
und gesungen. Seinetwegen werden Opernhäuser gestürmt, Liederabende sind
ausverkauft, und sogar im Kino kann man sich Jonas Kaufmann nicht entgehen
lassen.
Selbst bei einem so komplexen Werk wie Wagners "Parsifal" aus
der New Yorker Met vor zwei Jahren saß man gebannt im Kino, um die
Nahaufnahmen live zu genießen. Wie klein die Klasse der Stars ist, welche
die Magnetkraft haben, um die weltweiten Kinoübertragungen aus der
Metropolitan Opera zum Geschäft zu machen, sieht man an den ausgesuchten
Besetzungen der zehn Live-Übertragungen in der kommenden Saison. Nur
auszugsweise: Am 3. Oktober singt Anna Netrebko in "Il Trovatore", im
"Tannhäuser" am 31. Oktober singt Johan Botha, am 21. November wird "Lulu"
mit Marlis Petersen in der Titelrolle übertragen, die 7. Übertragung der
Kinosaison ist am 5. März Puccinis "Manon Lescaut" mit Jonas Kaufmann und
seiner bewährten Partnerin Kristine Opolais.
Wer nicht bis März
warten kann, findet in der kulturellen Nebenschiene der Cineplexx-Kinos
seinen Helden bereits demnächst: Am 8. Oktober wird "Ein Abend mit Puccini"
in den neun österreichischen Cineplexx-Kinos - von Wien über Salzburg bis
Hohenems - zu sehen sein. Wie PR-Mann Martin Fürsatz sagt, sei das nichts
Neues, es habe bereits Konzerte von One Direction bis Elton John im Kino
gegeben, und so betrachtet sei Jonas Kaufmann ohnehin ein Popstar.
Legendäres Konzert in der Mailänder Scala Dass so ein Popstars auch
bejubelt wird, zeigte sich beim bisher bekannt gewordenen kleinen Ausschnitt
aus diesem bereits legendär gewordenen Konzert am 14. Juni im der Mailänder
Scala. In Zeiten von YouTube bleibt nichts verborgen, und irgendein
geistesgegenwärtiger Hobbyfilmer hat den erfrischenden Augenblick
festgehalten.
Wird der auch im Kino zu sehen sein? Der erschöpfte
Tenor musste nach dem vollen Programm Zugabe um Zugabe geben, und dann
passierte das: Jonas Kaufmann lässt sich von Dirigent Jochen Rieder helfen,
um die Smokingfliege loszuwerden, und als er im Jubelsturm "Nessun dorma"
anstimmt, blickt er nach wenigen Zeilen hilfesuchend zum Dirigenten, der
unbeirrt weitersteuert. Ein Texthänger! In der berühmtesten Arie der Welt,
"seinem" Prunkstück! Kaufmann streckt die Zunge heraus und hält sich
kopfschüttelnd die Hände vor das Gesicht, herrlich! Wie das Publikum
reagierte, war ebenfalls herrlich, Kaufmann muss selber herzlich lachen,
eine sympathische Szene.
Sollte Jonas Kaufmann über die Kinoleinwand
zur Virenschleuder des grassierenden Puccinifiebers werden, würde es nicht
wundern, wenn sein anderes Projekt berühmt wird. Gegen Ende August gab es
kurz unter den Jonas-Kaufmann-Fans Verwunderung und Erstaunen. Da schrieb
der Tenorissimo auf seiner Facebook-Seite eine "Warnung" folgender Art:
"Liebe Freunde, bitte lasst euch vom Titel der Decca-CD ,Jonas Kaufmann -
The Age of Puccini' nicht täuschen! Diese Compilation enthält lediglich drei
Puccini-Titel: meine Aufnahmen von ,Che gelida manina' und ,E lucevan le
stelle' aus dem Jahr 2007 und eine Szene aus ,La Rondine', die ich 2008 für
die Verismo-CD von Renée Fleming aufgenommen habe. Bei den übrigen 18 Titeln
handelt es sich um mein Album ,Verismo Arias' von 2010. Also alles bekannte
Aufnahmen in neuer Verpackung." Dann folgt die Erklärung für die Empörung:
"Das ,echte' Puccini-Album, das ich mit Antonio Pappano im Herbst
vergangenen Jahres in Rom aufgenommen habe, trägt den Titel ,Nessun dorma'
und wird Mitte September von Sony veröffentlicht. Es enthält ausschließlich
Szenen von Puccini-Opern, darunter Highlights aus ,Manon Lescaut', ,La
Bohème', ,Tosca', ,La Fanciulla del West' und ,Turandot'."
Luxus-Ausgabe der Puccini-CD Man muss dazusagen: Decca hat jedes
Recht, aus geschäftlichen Gründen noch einmal eine Compilation auf den Markt
zu bringen, obwohl Jonas Kaufmann und sein Management zu Sony gewechselt
sind - und nun eben die Luxus-Ausgabe der neuen Puccini-CD am 11. September
auf den Markt bringen.
Die Puccini-CD mit dem Orchestra und Chor
dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom mit Kaufmanns Freund
Antonio Pappano am Pult ist ohnehin anders geartet. Es gibt Szenen aus
"Manon Lescaut" (mit Kristine Opolais, mit der Kaufmann in London einen
Sensationserfolg gefeiert hatte), Puccini-Raritäten wie "Le Villi", "Edgar",
"Il Tabarro" und natürlich die Populär-Stücke aus "Tosca" und "Gianni
Schicchi". Jonas Kaufmanns Stimme ist noch dunkler und runder geworden,
Druck und Entspannung sind immer in bester Balance - ein Traum. Und dann
doch, nach "Non piangere, Liù" aus dem 1. Akt der "Turandot" (mit Kristine
Opolais) das strahlende "Nessun dorma".
Interessant ist auch die
Beipack-DVD: Da werden Aufnahmeszenen aus Rom gezeigt, Freude und
Erleichterung bei Kaufmann nach der gelungenen "Nessun dorma"-Anstrengung,
aber auch Ausschnitte aus der Wiener Produktion von "La fanciulla del West"
mit Nina Stemme und das Duett mit "Manon Lescaut" Kristine Opolais in
London, das (nicht nur) den Tenor hinsinken ließ.
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