François
Girards Inszenierung ist eine Koproduktion mit den Theatern in
Lyon und der Canadian Opera Company Toronto. Eine moderne
Inszenierung, die voll aufgeht! Michael Levines großes, offenes
Bühnenbild gibt den gelungenen Rahmen für das intensive Spiel
aller handelnden Personen und Personengruppen.
Die
Zusammenarbeit, bzw. Zusammen-Erarbeitung für die Met, war, wie
man hört, von einem sich gegenseitig befruchtenden Geben und
Nehmen zwischen Regisseur, Dirigent und Sängern geprägt. Der
schlichte Bühnenhügel, durchzogen von einem Bachlauf, mal klar,
mal blutgefärbt, mal versiegend, erweist sich als praktikabler
Spielraum für den 1. und 3. Akt. Im diffusen Dämmerlicht auf der
linken Bachseite sieht man Frauen (die so eine
Männergesellschaft ja zur Sicherung ihrer Nachkommen auch
braucht, die jedoch zur Handlung nichts beitragen). Die
Männergeschichten spielen sich rechterhand ab. Dazu bewegen sich
auf dem riesigen Hintergrund-Horizont großartige
Filmprojektionen, von denen man zwar nicht immer nachvollziehen
kann (weil selten in Totale zu sehen), was sie gerade exakt
bedeuten sollen, die aber sehr effektvoll und dekorativ sind.
Die holde Aue im 3. Akt hätte man sich durchaus etwas
freundlicher beleuchtet vorstellen können. – Im 2. Akt bedeckt
ein großflächiges (beheiztes!) Blutwasserbecken den Großteil des
Bodens; darin tummeln sich die Blumenmädchen, darin steht dann
das Lotterbett – alles sehr logisch und nachvollziehbar im
Gesamtkonzept.
Ein in allen Teilen überragendes
Solistenensemble spielt ungemein eindringlich, so dass es jeden
tief bewegen muss. Dazu wird auf einem einheitlich sehr hohen
Level gesungen, wie man es sich derzeit kaum idealer denken
kann. - René Pape, der Gurnemanz schlechthin, mit schlichter
Gestik und riesiger persönlicher Ausstrahlung, mit einem Bass
wie Balsam pur, der in allen Lagen „wie geschmiert“ läuft. -
Jonas Kaufmann, das Idealbild eines Nahaufnahmen tauglichen
Helden, auch wenn er als Parsifal sowas wie ein Antiheld sein
mag. Allein sein Mienenspiel ist stets so ungeheuer
beeindruckend und fesselnd. Aber da ist ja auch noch dieser
dunkel-goldene Tenor, wie für Wagner geschaffen, dabei mit
italienischer Eleganz geführt, vom strahlenden Forte bis ins
gehauchte Piano mit umwerfenden Ausdrucksnuancen. – Peter Mattei
und sein Amfortas-Debut – was für ein Glücksfall! Die Stimme
erscheint riesig gewachsen und hat einen heldenbaritonalen Kern,
bei Beibehaltung der stimmlichen Weichheit in den lyrischeren
Passagen. Damit ist Mattei nicht nur einer der allerbesten
Amfortasse überhaupt, man wünschte sich in dieser Form weitere
Heldenbaritonrollen von ihm. Leider ist sein Gesicht durch einen
(echten) Vollbart so zugewachsen, dass man das bekannt
effektvolle Mienenspiel dieses Sängers hier nicht erkennen kann
(Fehler der Ausstatter). Er überzeugt aber sehr durch seine hoch
intensive Körpersprache, und das ganze große Leiden liegt im
Ausdruck seiner Stimme. – Evgeny Nikitin, der auf Gergievs
Parsifal-CD mit seinem überragenden Amfortas beeindruckt hatte,
gibt hier den Zauberer und einst vergeblich das Heil suchenden
Klingsor, schaurig in der Gestaltung, kernig im powervollen
Gesang. – Bleibt noch Kundry, mit der Katarina Dalayman einige
überrascht haben dürfte. Sie hatte zwar immer einen warm
timbrierten Sopran, jedoch mit stets hörbaren
Höheneinschränkungen. Hier strömt die Stimme wunderbar warm und
voll bis in die Alttiefen der Partie. Und im 2. Akt, wo die
Tessitura immer höher steigt, nimmt sie sämtliche Klippen
staunenswert trickreich, nie klingt ein Ton scharf und alle
Spitzentöne sind voll da. Eine Glanzleistung der schwedischen
Künstlerin. – Durchweg gut die Blumenmädchen und die
Männerchöre, während die Frauenchöre der Met doch meistens viel
Tremolo aufweisen.
Ein „hehrstes Wunder“ bereitete (wie
beim Münchner Fidelio) Maestro Daniele Gatti am Pult des guten
Met-Orchesters. Seine Art, einem Orchester warme Klangfarben zu
entlocken, bewundere ich immer wieder. Wenn er manches „langsam“
dirigiert, ist das vollkommen in Ordnung, hält er dabei doch die
Spannung, und wenn ihm die Sänger dabei atemtechnisch folgen
können, werden manche Zaubermomente wahr.
Die Met eigene
Kameraführung ist nicht immer ganz glücklich. Durch die extremen
Nahaufnahmen, gehen zu viele Dinge zwischen den einzelnen
Personen unter, wie z. B. wenn Amfortas im 1. Akt Blickkontakt
zu Parsifal sucht (könnte der der ersehnte Erlöser sein…),
dieser jedoch gar nicht ins Bild kommt. Auch dass Parsifal
während der Gralszeremonie des ersten Aktes kaum jemals ins Bild
kommt, ist sträflich, da man seine Reaktionen auf das Geschehen
schließlich sehen sollte, besonders, da Kaufmann ja immer
mit-spielt. Auch bei Gurnemanz‘ Empörungsansprache wegen des
toten Schwanes sollte man Parsifals Reaktion unbedingt sehen,
stattdessen bekommt man Gurnemanz in Riesenaufnahme (zum
Nasenhaarezählen). Im 2. und 3. Akt stimmt die Bildführung dann
besser.
Wenn schon einen „modernen“ Parsifal, dann
diesen!
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