Der Neue Merker
DZ
 
New York/Met 2013 – PARSIFAL in Musterbesetzung
François Girards Inszenierung ist eine Koproduktion mit den Theatern in Lyon und der Canadian Opera Company Toronto. Eine moderne Inszenierung, die voll aufgeht! Michael Levines großes, offenes Bühnenbild gibt den gelungenen Rahmen für das intensive Spiel aller handelnden Personen und Personengruppen.

Die Zusammenarbeit, bzw. Zusammen-Erarbeitung für die Met, war, wie man hört, von einem sich gegenseitig befruchtenden Geben und Nehmen zwischen Regisseur, Dirigent und Sängern geprägt. Der schlichte Bühnenhügel, durchzogen von einem Bachlauf, mal klar, mal blutgefärbt, mal versiegend, erweist sich als praktikabler Spielraum für den 1. und 3. Akt. Im diffusen Dämmerlicht auf der linken Bachseite sieht man Frauen (die so eine Männergesellschaft ja zur Sicherung ihrer Nachkommen auch braucht, die jedoch zur Handlung nichts beitragen). Die Männergeschichten spielen sich rechterhand ab. Dazu bewegen sich auf dem riesigen Hintergrund-Horizont großartige Filmprojektionen, von denen man zwar nicht immer nachvollziehen kann (weil selten in Totale zu sehen), was sie gerade exakt bedeuten sollen, die aber sehr effektvoll und dekorativ sind. Die holde Aue im 3. Akt hätte man sich durchaus etwas freundlicher beleuchtet vorstellen können. – Im 2. Akt bedeckt ein großflächiges (beheiztes!) Blutwasserbecken den Großteil des Bodens; darin tummeln sich die Blumenmädchen, darin steht dann das Lotterbett – alles sehr logisch und nachvollziehbar im Gesamtkonzept.

Ein in allen Teilen überragendes Solistenensemble spielt ungemein eindringlich, so dass es jeden tief bewegen muss. Dazu wird auf einem einheitlich sehr hohen Level gesungen, wie man es sich derzeit kaum idealer denken kann. - René Pape, der Gurnemanz schlechthin, mit schlichter Gestik und riesiger persönlicher Ausstrahlung, mit einem Bass wie Balsam pur, der in allen Lagen „wie geschmiert“ läuft. - Jonas Kaufmann, das Idealbild eines Nahaufnahmen tauglichen Helden, auch wenn er als Parsifal sowas wie ein Antiheld sein mag. Allein sein Mienenspiel ist stets so ungeheuer beeindruckend und fesselnd. Aber da ist ja auch noch dieser dunkel-goldene Tenor, wie für Wagner geschaffen, dabei mit italienischer Eleganz geführt, vom strahlenden Forte bis ins gehauchte Piano mit umwerfenden Ausdrucksnuancen. – Peter Mattei und sein Amfortas-Debut – was für ein Glücksfall! Die Stimme erscheint riesig gewachsen und hat einen heldenbaritonalen Kern, bei Beibehaltung der stimmlichen Weichheit in den lyrischeren Passagen. Damit ist Mattei nicht nur einer der allerbesten Amfortasse überhaupt, man wünschte sich in dieser Form weitere Heldenbaritonrollen von ihm. Leider ist sein Gesicht durch einen (echten) Vollbart so zugewachsen, dass man das bekannt effektvolle Mienenspiel dieses Sängers hier nicht erkennen kann (Fehler der Ausstatter). Er überzeugt aber sehr durch seine hoch intensive Körpersprache, und das ganze große Leiden liegt im Ausdruck seiner Stimme. – Evgeny Nikitin, der auf Gergievs Parsifal-CD mit seinem überragenden Amfortas beeindruckt hatte, gibt hier den Zauberer und einst vergeblich das Heil suchenden Klingsor, schaurig in der Gestaltung, kernig im powervollen Gesang. – Bleibt noch Kundry, mit der Katarina Dalayman einige überrascht haben dürfte. Sie hatte zwar immer einen warm timbrierten Sopran, jedoch mit stets hörbaren Höheneinschränkungen. Hier strömt die Stimme wunderbar warm und voll bis in die Alttiefen der Partie. Und im 2. Akt, wo die Tessitura immer höher steigt, nimmt sie sämtliche Klippen staunenswert trickreich, nie klingt ein Ton scharf und alle Spitzentöne sind voll da. Eine Glanzleistung der schwedischen Künstlerin. – Durchweg gut die Blumenmädchen und die Männerchöre, während die Frauenchöre der Met doch meistens viel Tremolo aufweisen.

Ein „hehrstes Wunder“ bereitete (wie beim Münchner Fidelio) Maestro Daniele Gatti am Pult des guten Met-Orchesters. Seine Art, einem Orchester warme Klangfarben zu entlocken, bewundere ich immer wieder. Wenn er manches „langsam“ dirigiert, ist das vollkommen in Ordnung, hält er dabei doch die Spannung, und wenn ihm die Sänger dabei atemtechnisch folgen können, werden manche Zaubermomente wahr.

Die Met eigene Kameraführung ist nicht immer ganz glücklich. Durch die extremen Nahaufnahmen, gehen zu viele Dinge zwischen den einzelnen Personen unter, wie z. B. wenn Amfortas im 1. Akt Blickkontakt zu Parsifal sucht (könnte der der ersehnte Erlöser sein…), dieser jedoch gar nicht ins Bild kommt. Auch dass Parsifal während der Gralszeremonie des ersten Aktes kaum jemals ins Bild kommt, ist sträflich, da man seine Reaktionen auf das Geschehen schließlich sehen sollte, besonders, da Kaufmann ja immer mit-spielt. Auch bei Gurnemanz‘ Empörungsansprache wegen des toten Schwanes sollte man Parsifals Reaktion unbedingt sehen, stattdessen bekommt man Gurnemanz in Riesenaufnahme (zum Nasenhaarezählen). Im 2. und 3. Akt stimmt die Bildführung dann besser.

Wenn schon einen „modernen“ Parsifal, dann diesen!
 






 
 
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