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Tiroler Tageszeitung, 24.06.2020 |
Von Ursula Strohal |
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„Der Kaufmann-Otello“: Das Brüten und Lieben des Siegers |
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Antonio Pappano und Jonas Kaufmann präsentieren einen facettenreichen, psychologisch modernen „Otello“.
„Otello“ ist dieser Tage, da Giuseppe Verdis vorletzte Oper bei Sony in
einer generell selten gewordenen Studio-Neuproduktion herausgekommen ist,
nur „Der Kaufmann-Otello“. Der Sänger mit dem speziellen Tenor hat sich, als
er einst die Partie des Cassio sang, in die Titelrolle verliebt, die seiner
darstellerischen Potenz zwingend, sogar gefährlich Nahrung gibt. 2017 wagte
sich Kaufmann in London unter Antonio Pappanos ebenso sicherer wie
fordernder Leitung an seine „Otello“-Premiere, ein Jahr später folgte die
Münchner Produktion, im Sommer 2019 die Aufnahme in Rom.
Pappano und
Jonas Kaufmann machen die Einspielung aus. Der Dirigent führt, beide
exzellent, Orchester und Chor der Accademia Nazionale di Santa Cecilia durch
das Stück, mit faszinierendem Farb- und Detailreichtum, dramaturgisch
beredt, stützend, erweiternd. Weil das Vokalensemble um Kaufmann meistens
eher eindimensional bleibt, kommt dem wissenden, fühlenden, klangmalerisch
in weitem dynamischen Spektrum agierenden Orchester besondere Aufmerksamkeit
zu.
Pappano und Kaufmann sind sich einig in einem sinnlichen,
affektreichen und psychologisch modernen „Otello“ – Leben und Spannung der
Aufnahme. Kaufmann investiert seine Intensität und Gestaltungskraft, er
kommt durch den Eingangssturm als Sieger über das osmanische Heer zurück,
aber auch als Mann mit seinen unheilbaren Verletzungen und
Unausgewogenheiten, von denen Desdemona nichts ahnt. Die dunkle Grundfärbung
des Tenors ist Teil von Otellos Wesen, wie dessen rasche Wechsel zwischen
Aggression und lyrischer Verliebtheit, sein verzweifeltes Brüten und
Erkennen, die Ängste, das unbedachte Aufbrausen. Kaufmann präsentiert den
Mann mit reichen Farben und Facetten. Der Gestaltung dieses Porträts lassen
sich sogar gelegentliche stimmliche Grenzen und Einengungen unterordnen.
Federica Lombardi, als Desdemona debütierend, überzeugt mit der Jugend
und Unbedarftheit der Figur, hat schöne Momente und manchmal schon
irritierendes Vibrato, berührt aber kaum. Carlos Álvarez, als Jago in einer
seiner Leibrollen, zeichnet den Finsterling wie gefordert kultiviert, aber
nicht hintergründig dämonisch. Lipartit Avetisyan ist der Cassio mit hellem
Jugendtenor, Virginie Verrez singt die Emilia, Carlo Bosi den Roderigo und
Riccardo Fassi den Lodovico.
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