Münchner Abendzeitung, 17.10.09
Robert Braunmüller
 
Ein wissender Sänger
 
Schuberts "Die schöne Müllerin" in Jonas Kaufmanns Aufnahme
Hundertfach und öfter wurden diese 20 Lieder schon auf Schellack, Vinyl oder digital gepresst. Es drängt sich die Frage auf: Muss der auch noch? Ja, Jonas Kaufmann muss.

Ende Juli, nach der "Lohengrin-Serie" an der Staatsoper, sang der Münchner Schuberts Zyklus im Nationaltheater. Ein paar Tage später wiederholte er die "Schöne Müllerin" mit seinem Begleiter Helmut Deutsch vor geladenen Gästen im Max-Joseph-Saal für diese Aufnahme. Vorher erklärte er den Grund: Live ist immer intensiver als das sterile Studio. Es musste schnell gehen, weil vom Brunnenhof her die Störgeräusche einer Flamenco-Truppe drohten. Die grausige Akustik des Saals bekommt der Plattenkäufer ebensowenig mit wie eine Sekunde Unkonzentriertheit, die den Sänger zur Wiederholung eines Liedes zwang.

Kaufmann versteht es, das Liebesleid des Müllerburschen mit den seiner Stimme angemessenen Mitteln zu erzählen. Er beginnt als heldischer Draufgänger und endet in berückend zarter Verzweiflung. Wiederum erweist er sich als denkender, gestaltender und wissender Sänger. Er erlebt, statt von Erlebnissen zu berichten, und bringt eine Spur heutiger Zerrissenheit und Heimatlosigkeit mit, die diesen Liedern angemessen ist. Mehr noch: Sein Singen besitzt eine Unmittelbarkeit des Gefühls, die viele seiner Kollegen vermissen lassen, wenn sie Liederabende im im Gehrock in kunstpriesterliche Weihehandlungen verwandeln und Gefühle mit der Beißzange anfassen.
 






 
 
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