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Luzerner Zeitung, 09. Juli 2017 |
Fritz Schaub |
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Jonathan Notts doppelte Schlusstat mit Mahler |
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Nach
den Mahler-Sinfonien nahm Jonathan Nott nicht nur mit den Bamberger
Symphonikern Gustav Mahlers «Das Lied von der Erde» auf. Sondern gleich auch
noch mit den Wiener Philharmonikern.
2003 begann die Zusammenarbeit
der Bamberger Symphoniker und des Schweizer Labels Tudor mit Jonathan Nott,
der 1997 bis 2002 in Luzern gewirkt hatte. Eigentlich war er damals als
Operndirigent nach Luzern berufen worden, doch seine Hauptakzente setzte er
im neu eröffneten Konzertsaal von Jean Nouvels Prachtsbau KKL, wo er mit
innovativen Programmen und grossbesetzten Orchesterwerken die Basis für das
«neue» Luzerner Sinfonieorchester schuf.
Nachhaltig war erst recht
die Aufbauarbeit in Bamberg, es gab viele Höhepunkte bis hin zu Wagners
«Ring des Nibelungen», der im Sommer 2013 als halbszenische Produktion auch
am Lucerne Festival gezeigt wurde. Mit der Einspielung der Sinfonien von
Franz Schubert und besonders von Gustav Mahler schrieb der britische
Dirigent während seiner 16-jährigen Bamberger Zeit Schallplattengeschichte.
Indem Nott nun kurz hintereinander das noch fehlende Glied in der
Gesamtaufnahme der Mahler-Sinfonie, «Das Lied von der Erde», mit zwei
verschiedenen Orchestern aufgenommen hat, vervollständigte er zum Schluss
mit den Bamberger Symphonikern (bei Tudor) die Gesamtaufnahme der
Mahler-Sinfonien. Andererseits deutet die Aufnahme mit den Wiener
Philharmonikern (bei Sony) seinen Aufbruch zu neuen Ufern an. Vor allem aber
ermöglichen die beiden Aufnahmen einen reizvollen Vergleich zwischen beiden
Klangkörpern.
Geschärfte Klangfarben und Transparenz
Dabei ist der Hauptfokus auf das Orchester auch werkimmanent bedingt,
spielt es doch in dieser verkappten Sinfonie für zwei Stimmen (Tenor und Alt
oder Bariton) und Orchester die Hauptrolle. Mit der fulminant im Fortissimo
steil in die Höhe ragenden Einleitung markiert das Orchester sofort mit
Hochdruck Präsenz, noch bevor der Tenor-Solist voller Ekstase das «Trinklied
vom Jammer der Erde» anstimmt.
Die Orchester stehen sich in nichts
nach, hier wie dort schärft Nott die Klangfarben, aber auch der sinfonische
Charakter, vor allem im «Abschied», der etwa gleich lang ist wie die andern
fünf Sätze zusammen, tritt mit seiner inneren Ruhe und dem weitgesteckten
Verlauf hervor. Die fein gewobenen Klänge und die Farben der Stimme fliessen
untrennbar ineinander. Mit sparsamen Mitteln – immer mehr auf Celesta,
Mandoline, Harfe und verhaltene Bläserstimmen reduziert – schuf Mahler ein
Adagio, das das langsame Hinübergleiten in Ewiges beschwört.
Durchsichtigkeit im Klangbild herrscht vor allem in den liedhaften,
fernöstlich angehauchten Abschnitten.
Die Sänger geben den
Ausschlag
Nuancen ergeben sich bei den orchestralen Farben.
Die Bamberger passen mit ihrem eher dunklen, erdigen Klangcharakter
hervorragend zu dieser Liedsinfonie, vorab dort, wo Trauer, Melancholie sich
breitmacht. Die Wiener klingen obertonreicher, was sich in den animierten,
lebensbejahenden Abschnitten in «Von der Jugend» und in «Von der Schönheit»
auszahlt. Andererseits kann man sich die Weise nicht trauriger und
verlorener vorstellen, wie sie die Wiener Oboe in «Der Einsame im Herbst»
intoniert.
Am stärksten fallen die Unterschiede bei den Sängern ins
Gewicht. Wie Jonas Kaufmann vom mit voller Kraft gesungenen Forte-Beginn auf
ein hauchzartes «Dunkel ist das Leben, ist der Tod» umschalten kann, erhebt
ihn doch über einen Roberto Saccà, der in der Aufnahme mit den Bambergern
seinen Solopart weniger differenziert, mit einem pauschaleren Vibrato
durchzieht.
Kleiner sind die Differenzen bei den für Alt oder Bariton
reservierten Abschnitten, aber auch da differenziert Kaufmann, der mit
seinem baritonal grundierten Tenor auch die Bariton-Lieder singt, eher
feiner und gradliniger als der angestammte Bariton Stephen Gadd. Wobei die
Frage offen bleibt, ob eine Altstimme wie jene von Christa Ludwig in der bei
EMI erschienenen Referenzaufnahme unter Otto Klemperer nicht doch mehr
Eindruck macht.
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