Wiener Zeitung, 21.09.2021
Christoph Irrgeher
 
Jonas Kaufmann: Ein Liszt-Plädoyer in Luxus-Besetzung
 
Der Star-Tenor widmet sich gemeinsam mit Helmut Deutsch den Liedern des Ungarn.

Undankbar kann er sein, der Job des Liedbegleiters. Die Musikkritik widmet diesen Pianisten oft nur einen Satz, wenn nicht gar nur ein Wort. Nämlich: verlässlich.

Wie viel Gewicht ein solcher Partner besitzen kann, zeigt das neue Album von Jonas Kaufmann. Das Programm ist einzig und allein Franz Liszt gewidmet - und damit dem Leibkomponisten von Helmut Deutsch, dem langjährigen Begleiter des bayerischen Tenors. Schon mit 14 hatte sich Deutsch regelrecht in Liszt vernarrt. "Ich suchte in Antiquariaten nach Büchern über Franz Liszt, ich kaufte unzählige Noten und jede erhältliche Schallplatte", schreibt er in seiner Autobiografie "Gesang auf Händen tragen" (Henschel). "Mehr noch, ich begann das gesamte 19. Jahrhundert nach seinen Lebensdaten einzuordnen. Meine nähere Umgebung, vor allem meine Familie nervte ich mit diesem Tick recht nachhaltig, und die permanente Erwähnung des Namens Franz Liszt ist noch heute allen in deutlicher Erinnerung."

Deutsch hat nun auch das Booklet für das Album geschrieben und eine Lanze für Liszt gebrochen - ein nötiges Plädoyer noch heute: Während die einen den Ungarn als innovativen Tonsetzer verehren, sehen die anderen in ihm bloß einen Klavier-Rockstar des 19. Jahrhunderts. Deutsch beurteilt Liszts Liedschaffen heute durchaus differenziert: Die 90 Werke, so meint er, seien von schwankender Güte - doch die Glanzlichter von enormer Strahlkraft.

Das beweist auch die Auswahl, die das Duo getroffen hat. Mag zwar sein, dass Kaufmanns Tenor in der Wutnummer zu Beginn ("Vergiftet sind meine Lieder") an der Überforderungsgrenze schrammt. Aber er wird den Luxus-Erwartungen dann durchaus gerecht, die die Fangemeinde in ihn setzt. Überzeugungsmittel Nummer eins ist auch auf dieser CD ein intimer, allem Vibrato entkleideter Tonfall, dessen Spitzentöne und Melodiebögen ins Herzen treffen. Zudem trägt Kaufmann in diesen Liedern einer emotionalen Bandbreite Rechnung, die mitunter zwischen Extremen pendeln. Etwa in der Heine-Vertonung "Die Loreley": Deren Schönheit ist in zarten Klangfarben porträtiert, der Tod der betörten Fischer rauscht dann in einem Fortissimo dahin. Fast schon filmisch wirkt der Dreiminüter "Im Rhein, im schönen Strome": Was als wuchtiges Klanggemälde vom Kölner Dom beginnt, wird zunehmend intimer, rückt schließlich den Liebreiz eines Marienbildnisses in Großaufnahme heran: Noten am Rand zum Impressionismus. Kaufmann und Deutsch kosten diese Schönheiten delikat aus, ohne je an erzählerischer Intensität einzubüßen: eine hinreißende Hommage.



















 
 
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