Opernwelt
Gerhard Persché
 
Noble Rivalen
Jonas Kaufmann und Ludovic Tézier interpretieren Duette von Verdi, Puccini und Ponchielli

Vergessen wir die Comedian Harmonists! Halten wir uns lieber an Oscar Wildes Stichelei: «A real friend stabs you in the front, not the back» - ein echter Freund meuchelt dich von vorne, nicht von hinten. Der Aphorismus passt gut zu den Szenen des Alvaro und des Carlos di Vargas aus Verdis «La forza del destino», dargeboten von Jonas Kaufmann und Ludovic Tezier auf ihrem neuen Duo-Recital-Album. Die beiden Opernsterne betiteln dieses mit «Insieme» (was eine Gemeinsamkeit suggeriert), doch hätte etwa im Fall der «Forza», wo die engsten Freunde zu Feinden werden, die Überschrift «Rivalen» besser gepasst.

Allein, dieser Titel war bereits von Veronique Gens und Sandrine Piau für deren fulminante Duo-CD (Alpha Classics) in Beschlag genommen worden. Also «Insieme», was dem Charakter des Albums insgesamt durchaus gerecht wird. Zwar dominieren die Szenen mehr oder weniger erbitterter Rivalität zwischen Tenor und Bariton aus Verdis und Ponchiellis Feder, doch beginnen Kaufmann und Tezier mit Rodolfos und Marcellos gemeinsamem Sehnen nach verlorener (Frauen-)Zärtlichkeit aus dem vierten Akt von Puccinis «La Boheme». Und als nachdrückliche Bestätigung freundschaftlicher Verbundenheit folgt, dick unterstrichen wie mit dem Marker, Verdis Duett der Freunde bis zum Tode: «Dio, che nell'alma infondere», jedoch in der französischen Fassung als «Dieu, tu semas dans nos ämes». Hier müssen Kaufmann und Tezier sich nicht verstellen, denn über die Bühne hinaus pflegen die beiden Sänger, wie das Booklet suggeriert, «a close friendship». Auch auf diesem Album erweist sich die Freundschaft als sehr ersprießlich, wobei sich im Schiller'schen Sinne als Dritter im Bunde Covent Gardens Sir Tony (Antonio Pappano) und seine römische Dependance, das Orchester der Nationalakademie der Heiligen Cäcilia, animierend hinzugesellen.

Ob Freund, ob Rivale: bei Kaufmann und Tézier klingt dies trotz aller Emotion stets nobel. Nie sinken die beiden zu plakativen «Brunnenvergiftern» herab, suchen nicht die Rollencharakteristik im gegenseitigen vokalen Knockout, sondern eben das «Insieme» auch in Timbre, Farbe, Formulierung, folgen dabei der Vision einer gemeinsam geschaffenen «dritten» Stimme. Was bei solchen Recitals, deren musikalische Dramaturgie in der Regel kein Narrativ präsentiert, sondern eher einen Musterkoffer belcantistischen Singens, völlig in Ordnung ist. So klingt auch die den zweiten Akt von Verdis «Otello» und zugleich das Album beschließende Szene, in der Jago seinen «Chef» so weit bringt, dass dieser racheschäumend die Kontrolle über sich fast verliert, wie der Schlagabtausch zweier Edelmänner; Téziers «Era la notte» ist dabei an Perfidie kaum zu überbieten. Kaufmanns vokale Interpretation des Mohren von Venedig war beim einen oder anderen Rezensenten ja auf Zweifel gestoßen - ihm fehle die «Otello-Stimme», wurde gelegentlich vermerkt. Auf der Hör-Bühne wirkt er indes überzeugend, erinnert an Jon Vickers: dunkelmächtiger Zorn Gottes.






 
 
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