Opernglas, September 2011
A. Laska
 
Fidelio
Schon die ersten Takte dieser »Fidelio«-Neuaufnahme lassen aufhorchen. Energiegeladen werden die einleitenden Akkorde der Ouvertüre akzentuiert, künden von dem sich anbahnenden Drama. Doch dann lässt das Solohorn, wunderbar weich intoniert, die unendliche Kraft der Liebe erahnen. Was Claudio Abbado und die fabelhafte Kombination aus Mahler Chamber Orchestra und Lucerne Festival Orchestra zu Beginn dieses im vergangenen Jahr entstandenen Mitschnitts versprechen, lösen sie in der Folge ein. Technische Präzision, klangliche Schönheit und ein tief erfühltes Musizieren verbinden sich hier zu einer derart beglückenden Einheit, dass Fragen nach der vermeintlich historisch korrekten Klanggestalt oder der philologisch richtigen Deutung der Tempoangaben verstummen müssen. Manche Stellen - den magischen Anfang des Gefangenenchors (großartig der Arnold-SchoenbergChor), die schwer lastenden Akkorde in der Einleitung zur Florestan-Arie oder den ekstatischen, aber keinesfalls druckvoll verhetzten Schlussjubel - möchte man nicht mehr anders musiziert hören.

Glücklicherweise verfügte Abbado bei dieser in den Dialogen stark verknappten, halbszenischen Aufführung nicht nur über ein exzellentes Orchester, sondern auch über ein Sängerensemble, das bis auf eine Ausnahme auf einem ebenso hohen Niveau agierte. Nina Stemme hat den für die Leonore unerlässlichen warmen Seelenton in der Mittellage, aber ebenso die nötige Kraft für die dramatische Kerkerszene. Und auch vor den heiklen Höhen der großen Arie muss sie nicht kapitulieren. In Jonas Kaufmann steht ihr der wohl derzeit weltbeste Florestan zur Seite. Mit fast schon unheimlicher Mühelosigkeit erklimmt er den Aufstieg ins „himmlische Reich", begeistert aber mehr noch durch die schier unbegrenzte Palette an Farben und Schattierungen, mit der er das Leid des Gefangenen auszudrücken versteht.

Mit beweglichem Bass gibt Christof Fischesser einen Rocco ganz ohne biedermeierliche Gemütlichkeit. Da ist hörbar ein willfähriger Diener des Herrn Pizarro am Werk. Diesen zeichnet Falk Struckmann mit schon ziemlich müder, in der Höhe oft dumpfer Stimme, sich immer wieder in Sprechgesang rettend. Als Figur ist er dennoch sehr präsent. In der Rolle der Marzelline gefällt Rachel Harnisch mit leuchtendem Sopran, dem aber auch genug Farben zur Verfügung stehen, um die Gewissensnöte der jungen Frau glaubhaft zu machen. Als rollendeckend erweisen sich schließlich auch Christoph Strehl (Jacquino) und Peter Mattei, der seinen noblen Bariton in der Rolle des Ministers verströmt.
 
 






 
 
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