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Tiroler Tageszeitung, 26.10.2014 |
Von Ursula Strohal |
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Mit Stil und Schmelz statt Schmalz |
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Für
sein Verdi-Album erhält Jonas Kaufmann heute einen Echo. Im
Gespräch ist seine CD „Du bist die Welt für mich“.
Er ist
der vielseitigste unter den gegenwärtigen Tenorstars, liebt
„heute Schöne Müllerin, morgen Cavaradossi“. Eine Devise, die an
frühere Theaterpraktiken anknüpft, als die Stimmfacheinteilung
und erst recht die derzeitige Spezialisierung, noch unbekannt
waren. „Es würde mich extrem langweilen, mit fünf, sechs
Erfolgspartien durch die Welt zu reisen“, erteilt er einer
gängigen Praxis die Absage, singt Mozart, Verdi, Puccini, Wagner
und Lieder – und Operette.
Der Tenorhit „Freunde, das
Leben ist lebenswert“ aus Franz Lehárs „Giuditta“ war als Zugabe
in der Berliner Waldbühne 2011 das Initial für ein ganzes
Programm aus Operette und Film, eingegrenzt auf die Zeit
zwischen 1925 und 1935. Kaufmann liebt das Genre – und es
gelingt ihm das Mirakel, die bekannten Lieder von der
Widerwärtigkeit des anbiedernden Klischees zu befreien. Mit
Leichtigkeit, Charme und Geschmack zeigt er in vokaler
Bandbreite von farbzarter Lyrik bis zum jugendlich heldischen
Aplomb, dass in diesen Schlagern mehr steckt als verzerrendes
Tenorgetue. Er investiert Schmelz statt Schmalz, stilsicher an
die Originale angelehnt. Das virile Timbre und die
Emotionssättigung, die peinlichkeitsfreie, unterhaltsame
Wiedergeburt einer Gattung machen diese Einspielung zum Hit.
Kaufmanns CD ist dramaturgisch durchgestylt. Sie enthält
Schlager der Silbernen Operettenära und des Tonfilms, der
Münchner knüpft an die legendären Erfolge von Richard Tauber an,
hat sich aber auch anderweitig umgehört und stilistisch gelernt,
ohne das Heute zu verleugnen. Den schamlosen Sexismus einiger
Texte unterfüttert er, ebenso den Nonsens von Abrahams
„Diwanpüppchen“, ohne Verrat am Spezifikum mit Leichtlebigkeit
und leiser Ironie.
Kaufmann eröffnet mit Franz Lehárs
„Gern hab’ ich die Frau’n geküsst“, es fehlen auch nicht dessen
„Dein ist mein ganzes Herz“ und das titelgebende „Freunde, das
Leben ist lebenswert“. Da gibt Kaufmann, was des Operettentenors
ist – Kálmáns „Grüß mir mein Wien“ dagegen ist erfüllt von
melancholischer Sehnsucht. Nicht nur in Abrahams „Reich mir zum
Abschied noch einmal die Hände“ von 1930 öffnet Kaufmann, ohne
die Leichtigkeit aufzugeben, die zweite Ebene des Liedes, eine
Tiefe, die vielen Glanzstücken jener Zeit innewohnt, wenn man
den Ton nur hören will. Viele Komponisten, die Kaufmann
versammelt, darunter Emmerich Kálmán, Robert Stolz, Paul
Abraham, Ralph Benatzky („Es muss was Wunderbares sein“), Mischa
Spoliansky („Heute Nacht oder nie“) und Werner Richard Heymann
(„Irgendwo auf der Welt“) mussten während der Nazizeit
emigrieren. Nur Franz Lehárs Popularität reichte (trotz
jüdischer Ehefrau) aus für den Verbleib in Österreich.
„Das Lied vom Leben des Schrenk“ aus Eduard Künnekes „Die große
Sünderin“ ist heute kaum noch bekannt und ein enorm forderndes,
heldisches Stück. Den Abschluss bildet, ebenso weiterführend wie
untypisch, „Glück, das mir verblieb“ aus Erich Wolfgang
Korngolds Oper „Die tote Stadt“, ein zart schwelgendes Duett mit
Julia Kleiter.
Wesentlich für die Einspielung sind die
dicht am Originalklang entlang führenden Arrangements von
Andreas N. Tarkmann und die sorgfältige, feine, swingende und
walzerkundige Umsetzung durch das in diesem Stil versierte
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Jochen Rieders Leitung.
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