|
|
|
|
|
Badische Zeitung, 21. Oktober 2014 |
Alexander Dick |
|
So – und nur so – funktioniert Operette |
|
Tenoraler Glanz, frivoler Unterton: Jonas Kaufmanns Album "Du bist die Welt für mich" ist ein kleines Juwel geworden. |
Die Warnung vorweg: Ein biss’l süchtig machen kann sie schon,
diese Platte. Vorausgesetzt man hat irgendwo tief in seinem
Herzen noch eine kleine Nische für Kitsch der gehobensten Sorte
reserviert – Stichwort: Operette. Doch auch wenn man sich Jonas
Kaufmanns Album "Du bist die Welt für mich" mit Operetten
unvoreingenommen anhört, wird man nicht umhinkommen, zu
applaudieren. Ja, so lässt sich eine Totgeglaubte wachküssen!
Dass der 45-jährige Münchner der derzeit wohl bedeutendste
deutsche Vertreter des Tenorfachs ist, steht wohl außer Frage.
Das sagt aber noch lange nichts über seine
Operettenkompatibilität aus. Man kann als Parsifal, Siegmund
oder Otello brillieren, und doch mit "Dein ist mein ganzes Herz
scheitern". Gerade die Tenorlieder, wie sie etwa Franz Lehár
seinem Freund Richard Tauber auf den Leib schrieb, erfordern ein
Höchstmaß an Stilsicherheit, an Raffinesse, an der Fähigkeit,
das eigene Timbre zu pflegen und zu entwickeln. Tenorale
Kraftmeierei und Grandezza sind fehl am Platze.
Und eben
deshalb ist Kaufmanns Sammlung von Operettenliedern Lehárs,
Kálmáns, Abrahams und anderen sowie Filmschlagern ein solches
Juwel geworden. Weil hier ein erstklassiger Tenor sich tief
hineindenkt in stilistische Fragen der Interpretation der
gehobenen Unterhaltungsmusik der 1920er und 1930er Jahre.
Kaufmann muss die Originalaufnahmen Richard Taubers intensiv
studiert haben, dafür sprechen die kleinen stimmlichen
Schlenzer, Schleifer, die Verzierungen und Rubati. Vor allem
aber der sensible, so variable Einsatz seines, wie übrigens auch
bei Tauber, dunkel unterfütterten Tenors. Der letzte große
Tenorinterpret in dieser Liga war wohl der mittlerweile
89-jährige Nicolai Gedda. An dessen Interpretation von Lehárs
vielleicht subtilstem Salonoperetten-Lied "Hab’ ein blaues
Himmelbett" muss man unwillkürlich denken, wenn man Kaufmanns
ebenbürtiger lauscht. Und auch wenn Kaufmanns Tenor nicht ganz
so silbern schimmert wie jener Geddas – schon wie er die erste
aufsteigende Phrase interpretiert, ist ein kleines Kunstwerk:
"Schatz, ich bitt’ dich, komm heut’ Nacht". Eine winzige
emotionale Betonung auf "bitt’" und in der Höhe der Wechsel von
der leicht geführten tenoralen Emphase hinein in die Kopfstimme
– ja, so funktioniert Operette. Kaufmann verzichtet großzügig
aufs Metall, wenn er mit charmantem Säuseln und ohne Bruststimme
viel glaubwürdiger wirken kann in Schlagern wie Robert Stolzens
"Im Traum hast du mir alles erlaubt". Übrigens: Der leicht
frivole, erotische Unterton hat in seiner Interpretation,
gutturale Gluckser inklusive, das rechte Maß: "Heute Nacht oder
nie?" – Mischa Spolianskys Evergreen mit Kaufmann als
Protagonisten kann man schwer widerstehen. Auf der anderen Seite
ist da Eduard Künnekes Ballade vom "Leben des Schrenk", für
deren höchste Ansprüchen einst gerade ein Fritz Wunderlich gut
genug war: In punkto tenoralem Feuer und Strahlkraft steht
Kaufmann ihm hier nicht nach.
In der letzte Nummer weckt
diese CD mit dem vorzüglichen Rundfunksinfonieorchester Berlin
unter Jochen Rieder ein wenig Wehmut: Das Duett "Glück, das mir
verblieb" (mit der zartstimmigen Julia Kleiter) aus Erich
Wolfgang Korngolds Oper "Die tote Stadt" erinnert an ein
musikalisches Ideal, in dem es nicht um U- oder E-Musik ging.
Sondern einfach um Qualität. Auf dieser Platte findet man sie
wieder. Ein Juwel.
|
|
|
|
|
|
|