hr2 kultur, 14.10.2014
Ursula Böhmer
 
Jonas Kaufmann stürmt die Pop-Charts
"Dein ist mein ganzes Herz", "Irgendwo auf der Welt", "Grüß mir mein Wien": Das waren die Schlager unserer Großeltern, als die Stars noch Richard Tauber, Joseph Schmidt oder Jan Kiepura hießen und das Publikum in den Operettenhäusern Ablenkung suchte im Auf und Ab der Weimarer Republik.

Nun hat sich ein "Star" unserer Tage dieser charmanten Hits wieder angenommen: Jonas Kaufmann, sonst eher als leidenschaftlicher Verdi-, Puccini- oder Wagner-Tenor unterwegs. Für Sony Classical hat er Operetten-Schlager aus der Zeit zwischen 1925 und 1935 eingespielt – und damit offenbar wieder einen Nerv getroffen: Denn das Album "Du bist die Welt für mich" ist auf Platz 11 der deutschen Pop-Charts gelandet – und rangiert damit sogar noch vor den neuen CDs von Lady Gaga und Tony Bennett. Ursula Böhmer hat sich angehört, warum das wohl so ist.

Ein Bild von einem Mann: Schicke Krawatte zur grauen Anzugs-Weste, steht er da vor einem dieser altmodischen Flaschenmikrophone aus den 30er Jahren und blickt knisternd in die Kamera, auf dem Cover seiner neuen CD "Du bist die Welt für mich" – auch so ein Song, mit dem sich die Damenwelt noch heute gut um den Finger wickeln ließe.

Dieser Damen-Fingerwickel-Song stammt aus der Feder Richard Taubers, eigentlich der große Tenor-Star jener Operetten-Ära zwischen 1925 und 1935. Als Komponist hatte er allerdings weniger Glück: Seine Operette "Der singende Traum" geriet eher zum "Albtraum", fiel bei den Kritikern durch – nur das "Du bist die Welt für mich" überlebte. Einer der Evergreens, die Jonas Kaufmann nun eingespielt hat – gelegentlich unterstützt von Weggefährtin Julia Kleiter und stets treu begleitet von dem gemütlich mitschlendernden, witzig tänzelnden bis sinfonisch auftrumpfenden Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Dirigent Jochen Rieder.

Charmant, spritzig sind Omas und Opas Hits aus heute nur noch wenig bekannten Operetten wie "Die Blume von Hawaii", "Liebeskommando" oder "Das Lied einer Nacht". Viele der Komponisten, die sie schufen und so zum kulturellen Gold der "goldenen Zwanziger Jahre" beitrugen, mussten später fliehen vor Rassen-Wahn und politischer Verfolgung – darunter Emmerich Kálmán, Paul Abraham und Hans May.

Der Österreicher Robert Stolz wiederum, der in Berlin zu den Koryphäen der Tonfilm-Szene zählte, bewies Rückgrat, indem er zahlreiche verfolgte Künstler in seiner Limousine aus Nazi-Deutschland herausschmuggelte – oder seinen jüdischen Textern Walter Reisch und Robert Gilbert "arisch" klingende Pseudonyme verpasste und Propagandaminister Joseph Goebbels als "Neuentdeckungen" verkaufte. Nicht nur dem aufrechten Robert Stolz widmet Jonas Kaufmann seine bei Sony Classical erschienene neue CD – sondern auch damaligen Gesangs-Idolen wie Richard Tauber, Joseph Schmidt oder Jan Kiepura.

Den großen Opernton lässt auch Jonas Kaufmann sich nicht nehmen – schlägt sonst aber eher liedhaft leichtere Töne an. Aufgenommen hat er an historischem Ort - dem Funkhaus in der Berliner Nalepastraße, ehemaliger Sitz des DDR-Rundfunks und wegen der exzellenten Akustik auch bei Künstlern wie Murray Perahia, Daniel Barenboim oder Paavo Järvi sehr beliebt. Und nun also Jonas Kaufmann, der die Fachwelt ja bislang eher als Puccinis Cavaradossi, Verdis Don Carlos oder Wagners "Lohengrin" begeistert hat. Mein lieber Schwan, was er hier nun für eine schöne Aufnahme vorgelegt hat! Eine Hommàge an die "gute alte Zeit", bevor Deutschland in Schutt und Asche versank. Eine Hommage an die Liebe und das Leben.







 
 
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