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Abendzeitung, 19.9.2014 |
Robert Braunmüller |
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So ist die neue CD von Jonas Kaufmann |
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Auf seinem neuen Album "Du bist die Welt
für mich" bereist der Tenor aus München die Welt der Goldenen Zwanziger |
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Manrico in Verdis „Trovatore“ ist er besser als alle
italienischen Tenöre der Gegenwart. Im Wagner-Fach hat der
Münchner nur ein, zwei echte Konkurrenten. Französisches wie
Massenets „Werther“ singt Jonas Kaufmann mit makelloser Eleganz.
Bei Liederabenden begeistert er mit Schuberts Trauer.
Dieser Mann ist ein Phänomen. Hat es jemals einen vergleichbar
vielseitigen deutschen Tenor gegeben, der dies alles auch
konnte? Fritz Wunderlich vielleicht. Aber das ist ein halbes
Jahrhundert her.
Die schweren und tragischen Helden hat
Kaufmann bereits mit Bravur gemeistert. Nun versucht er sich am
Leichten, das bekanntlich das Schwerste ist: Auf seinem neuen
Album und einer Tournee, die ihn im April auch in seine
Haumatstadt führen wird, singt Kaufmann Operettenlieder.
Zuerst küsst er als Paganini die Frauen, später erklärt er
schmetternd das Leben für lebenswert. Natürlich umarmt er die
Frauenwelt mit Franz Lehárs „Dein ist mein ganzes Herz“ aus dem
„Land des Lächelns“. Im getragenen Mittelteil ist Wagners
„Tristan“ nicht weit. Drumherum dreht er auf, wie es von einem
Tenor erwartet werden darf.
Musik von Paul Abraham,
Robert Stolz und Ralph Benatzky
Ohne solche
Richard-Tauber-Nummern geht’s einfach nicht. Aber sonst versucht
Kaufmann, sich vom Klischee des Operetten-Kavaliers mit Zylinder
und Stock abzusetzen. In Emmerich Kálmáns „Grüß mir mein Wien“
aus der „Gräfin Mariza“ schwelgt er noch einmal in
Puszta-Schwermut. Doch die Operettenwelt Österreich-Ungarns
steht nicht im Zentrum der Platte. Der Münchner singt
überwiegend swingende Musik aus Berlin, der Hauptstadt der
Goldenen Zwanziger: zwei Duette von Paul Abraham, eine Nummer
vom Mischa Spoliansky, etwas Robert Stolz oder Ralph Benatzkys
„Es muss was Wunderbares sein“ aus dem „Weißen Rössl“.
Der leichtfüßige Sprechgesang liegt Kaufmann weniger, etwa in
der absurden Gaga-Nummer vom „Diwanpüppchen“, in der auch seine
Gesangspartnerin Julia Kleiter ein wenig flach klingt. Da achtet
man lieber auf die geschmackvollen, im jazzigen Sound
authentischen Arrangements von Andreas M. Tarkmann und das
kultiviert spielende Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter
Jochen Rieder.
Das Zurückgenommene herrscht vor. Nicht
nur bei Werner Richard Heymanns „Irgendwo auf der Welt“ wuchert
Kaufmann mit seinen Pfunden: der sensiblen Lyrik. Er kultiviert
eine Zärtlichkeit ohne Säuseln, hinter der in jeder Sekunde die
männliche Kraft spürbar bleibt – ein lyrischer Macho, der vor
allem die verhauchten, verklingenden Schlüsse auskostet.
Die Platte ist mehr was für stille Genießer. Aber nach vielen
gehauchten und geflüsterten Liebeserklärungen drischt Kaufmann
gegen Ende noch einmal richtig auf’s Blech. Im „Lied vom Leben
des Schrenk“ aus Eduard Künnekes Operette „Die große Sünderin“
gibt er den Volkstribun. Er besingt Freiheit samt Reitertod, und
der Unzeitgeist des Jahres 1935 klappert dazu mit morschen
Knochen im Schrank.
Der finale Spitzenton wirkt ein wenig
herbeigezwungen statt leichthin hinausgeschleudert. Aber dann
versöhnt die Zugabe: das Finale der Oper „Die tote Stadt“ von
Erich Wolfgang Korngold. Dieser Über-Puccini passt nicht
wirklich zum leichteren Ton des übrigen Programms. Aber egal. An
dieser Himbeercrème-Musik kann man sich kaum satthören – der
Rezensent musste es fünfmal anhören, ehe er sich zuletzt dann
doch unter Schmerzen losreißen konnte.
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