Opernglas, August 2014
A.Laska
 
Don Carlo
Wer im vorigen Jahr die Live- Übertragung des Salzburger »Don Carlo« auf ORF 2 oder Arte verfolgt hat, wird die Verbesserungen spüren: Es ist dem Produktionsteam der Sony-DVD gelungen, der Abendverfassung mancher Sänger geschuldete Schwächen durch geschicktes Zusammenschneiden mehrerer Vorstellungen fast vollständig zu eliminieren.

Am meisten profitiert hiervon Matti Salminens Filippo. Sicher, der Veteran muss mit seinen Kräften mittlerweile haushalten—doch er tut dies so geschickt, dass es sogar zur Rollengestaltung beiträgt. In der Szene mit Posa etwa überschreitet Salminen selten das Mezzoforte. Das Gespräch bekommt so einen ausgesprochen intimen Charakter, und der König wird als Mensch umso greifbarer. Ähnliches gilt für die große Arie. An anderen Stellen — im Autodafébild etwa oder in der Auseinandersetzung mit dem Großinquisitor (eindrucksvoll: Eric Halfvarson) — dreht Salminen dann doch noch einmal richtig auf und verfehlt auch hier seine Wirkung nicht. Den Posa zeichnet Thomas Hampson ganz als idealistischen Schwärmer, überschwänglich in seiner Liebe zu Flandern, in seinem Bekenntnis zur Freiheit, in seiner Freundschaft zu Carlos. Stimmlich gleicht er, was ihm an genuiner Italianità fehlen mag, durch sorgsame Phrasierung und nuancenreichen Vortrag aus.

Die stimmliche Nuancierung ist auch das Kapital von Anja Harteros und Jonas Kaufmann. Beide verstehen es, wo nötig, dramatisch aufzutrumpfen, aber es sind die Zwischentöne, die Farben und Schattierungen, die ihre Rollenporträts so spannend, so bewegend machen. Als Überraschung der Produktion galt im Vorjahr die Eboli von Ekaterina Semenchuk. Mit flexiblen Koloraturen und feinen Abstufungen gestaltet sie das heikle Schleierlied, ehe sie das Publikum in ihrer großen Arie mit dramatisch auslandenden Höhen zu Begeisterungsstürmen hinreißt.

Getragen wird die Vorstellung von Antonio Pappano am Pult der Wiener Philharmoniker. Mal dramatisch auffahrend, dann wieder lyrisch verströmend, kostet sein Dirigat alle Reichtümer dieser Partitur aus, und vergisst doch nie, überden langen Opernabend einen weiten Bogen zu spannen. Das allein verdient Respekt, wurde doch die 5-aktige, italienische Fassung durch etliche Hinzufügungen aus der Pariser Urfassung auf eine Netto-Spieldauer von rund vier Stunden ausgeweitet.

An der Inszenierung werden sich die Geister scheiden. Wer von einem Regisseur neue Impulse, Aufwühlendes, gar Verstörendes erwartet, kommt bei PeterStein mit Sicherheit nicht auf seine Kosten. Wer sich hingegen an prachtvollen historischen Kostümen erfreuen kann und schnörkel lose, textbuchgetreue Arbeiten schätzt, der wird diesen Mitschnitt lieben und bei genauem Hinsehen eine Vielzahl reizvoller Details in der Personenführung entdecken. Hier dürfte die DVD zudem klar dem Liveeindruck auf der Salzburger Breitwandbühne überlegen sein.






 
 
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