WAZ, 18.10.2016
Lars von der Gönna
 
Jonas Kaufmann versucht es mit „Dolce Vita“
 
Italienisches Lebensgefühl braucht Leichtigkeit. Aber das ist in der Stimme des großen Jonas Kaufmann rar. Sein Album „Dolce Vita“ stößt an diese Grenzen.

Ausgerechnet jetzt, da Jonas Kaufmann sein sonnigstes Album auf den Markt bringt, liegen Schatten auf seinem Leben. Absage um Absage erreicht die großen Opernbühnen seit Monaten, ein Medikament mit Nebenwirkung hat dem deutschen Tenor zugesetzt. Ein Stimmband-Äderchchen platzte.

Kaufmann äußert Mut und Zuversicht, er „scharre schon wieder mit den Hufen.“ Doch er selbst wird am besten wissen – ein einziger Auftritt zu früh hat schon Kollegenkarrieren auf immer beendet.

Da scheint die Welt, die Kaufmann auf „Dolce Vita“ besingt, unendlich weit: Ständchen am Fenster, lauwarme Nächte, ein wankendes Herz, das von Blume zu Blume eilt...

Ist das noch gehobene U-Musik oder läuft uns schon Schlagerpomade ins Ohr? Die großen Tenöre von Beniamino Gigli bis Luciano Pavarotti haben nie danach gefragt. Es war ihnen Freude und Ehre, die Gondellieder und Anmach-Hits ihrer Heimat mit nicht weniger Hingabe zu singen als eine Puccini-Arie.

So wandelt Kaufmann auf gut beschilderten Pfaden. Und doch kommt man nicht umhin, die Grenzen zu nennen, die sein Ausflug ins Land, wo die Zitronen blühen, hören lässt. Er mag es als Kompliment nehmen, aber gerade jene Meisterschaft, die er von Wagners Lohengrin und Siegmund bis zu den tückischen Rollen des Verismo erreicht hat, hört man unentwegt. Es glückt ihm auf „Dolce Vita“ schlicht nicht, seine stupende klassische Gesangstechnik zur Seite zu legen, wo etwa Lucio Dallas „Caruso“ den naiven Schnulzenton fordert. Aus Kaufmanns Kehle aber, in der Kraft und schweres Fundament regieren, klingt das wie zweitklassige Klassik.

Unterschätzte Disziplin des Leichten

Es ist das Scheitern in dieser gern unterschätzten Disziplin des Leichten übrigens keine Frage der Herkunft. Des Deutschen Kaufmann Italienisch ist vorzüglich (der Münchner war schon als Kind Feriengast im Süden). Der große Fritz Wunderlich (1930-1966) hatte es da schwerer – doch eben dieser treudeutsche Wundertenor sang „Tiritomba“ und „Mattinata“ mit jener scheinbaren Mühelosigkeit, die einem ans Herz geht. Und wohin sonst soll man beim Singen zielen?






 
 
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