NDR Kultur, 7.10,2016
Vorgestellt von Sabine Lange
 
Jonas Kaufmann singt italienische Evergreens
 
Enrico Caruso hat es getan, Luciano Pavarotti hat es getan, José Carreras, Placido Domingo, Mario Lanza, Carlo Bergonzi - alle bedeutenden Tenöre haben populäre italienische, neapolitanische Lieder gesungen, mit großer Inbrunst und leidenschaftlicher Italianità. Jetzt hat sich auch der deutsche Startenor Jonas Kaufmann eingereiht und das Album "Dolce Vita" herausgebracht.

"Gelebte Leidenschaft auf höchstem Niveau"

"Ich habe sehr viel Zeit als Kind in Italien verbracht, auch sehr genossen, habe mich dort immer zu Hause, wohlgefühlt", erzählt Jonas Kaufmann. "Ich habe dadurch die Sprache auch sehr gut erlernt und auch das Gefühl für das italienische Lebensgefühl."

"So möchte ich leben - mit der Sonne im Gesicht und fröhlich singend." Das ist das italienische Gefühl, dem Kaufmann sein neues Album widmet. Der Heldentenor mit dem auffallend baritonal dunklen Timbre ist seit Jahren in vielen großen Partien auf den bedeutenden Opernbühnen der Welt zu Hause. Als Wagnersänger begeistert er sein Publikum. Doch seine künstlerische Liebe gilt genauso den italienischen Meistern Verdi und Puccini. Und, wie er im ARD-Interview für das Kulturmagazin "titel, thesen, temperamente" schwärmte, dem Italienischen an sich.

"Italien ist für mich gelebte Leidenschaft auf höchstem Niveau", so Kaufmann. "Ob das Liebesbeziehungen oder Dramen sind oder ob das Kunst, Essen ist oder das süße Nichtstun am Strand oder im Kaffeehaus. Man hat plötzlich das Gefühl, man muss ständig lächeln."

Verblüffend pflichtbewusst

Bei aller Liebe zu Italien: Kaufmann verleugnet sich nicht. Er singt die populären italienischen Lieder oft mit der vollen Kraft eines Tenors, der fünfstündige deutsche Opern durchsteht. Das klingt verblüffend pflichtbewusst und lässt das italienische Idiom des "dolce vita" manches Mal vermissen, das das italienbegeisterte, breite Publikum, das sich Kaufmann für sein neues Album wünscht, vermutlich im Ohr hat.

Es hat seine qualitativen Vorteile, ein klassisches Orchester wie das des Theaters in Palermo einzusetzen, geleitet von Asher Fisch. Doch Kaufmanns Stimme ist auffallend präsent aufgenommen, sodass manches Mal der Eindruck eines vokalen Kraftakts entsteht, der alles andere als "dolce" wirkt. Das klingt nach veristischer Oper, nach großem Drama - oder als ob Kaufmann hier bei großer Hitze als deutscher Heldentenor durch die Gärten der berühmten Villa Rufolo an der Amalfiküste wandele, die Richard Wagner zu seiner Oper Parsifal, genauer: zum Bühnenbild zu Klingors Zaubergarten, inspirierten.

Die Leichtigkeit des Seins

Vor einem Jahr brachte Kaufmanns Kollege Juan Diego Florez sein Album "Italia" auf den Markt mit ähnlichem Repertoire. Mit seiner schlankeren, helleren, beweglicheren Stimme hatte Florez es leichter, die italienische Sonne in die Herzen zu zaubern. Die Leichtigkeit des Seins in unserer Vorstellung vom Süden.

Doch nur forte singt Jonas Kaufmann nicht - es gibt berührende Momente auf seinem neuen Album "Dolce Vita". Das Leise, Zarte hat er in den vergangenen Jahren seiner Stimme bewusst als Farbe hinzugefügt. In solchen intimen Momenten hat er seine Fans in der Hand.
Audiokritik






 
 
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