Der Neue Merker
Dr. Ingobert Waltenberger
 
Opera Gala live from Baden-Baden 2016
 
Also es gibt (für mich) ja nur wenige objektive Gründe, so einen Readers Digest Verschnitt an Populärem und Superpopulärem mit sogenannten Stars mögen zu sollen. Die übliche Mischung aus Tosca, Carmen und Land des Lächelns wird in diesem Mitschnitt ja gar um Highlights aus Tannhäuser, Mefistofele, Faust, Otello, Un ballo in maschera, Cavalleria rusticana, Adrianna Lecouvreur, Don Carlo und L‘amico Fritz ergänzt, um sich final auf Fiddler on the Roof und Nino Rota zu stürzen. Künstlerisch ist ein solches Pasticcio oder musikalisches Restlessen sowieso höchst fragwürdig. Jetzt wollen wir einmal sehen und hören, ob die sängerischen Leistungen die nähere Befassung lohnen?

Die in türkisblau gewandete Anja Harteros beginnt mit einer noch recht steif vorgetragenen Einsingübung namens Hallenarie. Allerdings steigert sich Harteros immens und singt wirklich mustergültig „Morró, ma prima grazia“ aus Verdis Maskenball. Dass ihr Verdi besser als Wagner liegt, zeigt Harteros auch im Duett aus Otello, das sie mit Jonas Kaufmann bestreitet. Kaufmann stellt sich hier in einer Rolle vor, die er bald an der Covent Garden Oper in London zu singen gedenkt. Und dieser Tenor ist es auch, der das Konzert mitunter zum Ereignis werden lässt. Schon sein Auftritt mit „E lucevan le stelle“ aus dem dritten Akt Tosca zeigt ihn in absoluter Bestform, mit berückenden Piani, einer unglaublichen Intensität des Vortrags und eben jenem gewissen Etwas, das gerade eine Puccini-Oper zu einer unvergesslichen Sache werden lässt.

Weniger berauschend ist die Tatsache, dass als Mezzo mit Ekaterina Gubanova ein kurzer, nicht wirklich dramatischer Mezzo engagiert worden ist, die zwar mit einer sehr schön timbrierten Mittellage aufwarten kann, aber weder in den oberen noch unteren Registern memorable Eindrücke hinterlässt. Das ist mir aber immer noch lieber als der schon arg abgesungene, schlimm tremolierende Bassbariton von Bryn Terfel. Terfel ist zweifelsohne von der Bühnenpräsenz und dem schauspielerischen Talent her der bemerkenswerteste aus der Quadriga. Ihn rettet als Bösewicht vom Dienst eben genau dieses unwiderstehliche Augendrehen als Mefisto oder Scarpia, das zwar knapp an der Parodie entlangschrammt, aber eben dennoch in der Nahaufnahme Eindruck schindet. Die einst mächtige Stimme bröselt vor allem in der unteren Mittellage bedenklich, stilistisch war Terfel ja schon immer auf der gröberen Seite. Das kann man mögen, ich muss das wirklich nicht haben.

Ekaterina Gubanova müht sich als Santuzza im Duett mit Kaufmann und Dramatik, unterliegt aber vokal recht rasch. Für die Fürstin Boullion in Cileas Adriana Lecouvreur fehlt ihr die ausladende Tiefe und die nötige Stimmgewalt. Wer die Cossotto oder die Obrasztsova in dieser Rolle im Ohr hat, wird wohl so wie ich ziemlich enttäuscht gewesen sein. Zumal ihr mit Jonas Kaufmann ein Maurizio in Bestform zur Seite stand, der den besten Rollenvertretern auf Augenhöhe begegnen kann.

Bei den Ausschnitten aus Don Carlo mit der Philipp-Arie von Terfel und Ebolis „O don fatale“ ragt nur die stilistisch vollendete Arie der Elisabetta „Tu che le vanitá conoscesti del mondo“ der Anja Harteros hervor. Diese Sängerin ist es auch, die mit der Rarität „Son Pochi fiori“ aus Mascagnis „L‘amico Fritz“ ein wenig aus dem Wunschkonzert-Allerlei ausbricht.

Im Zugabenteil singt Kaufmann noch die Schnulze „Parla piu piano“ von Nino Rota , bevor sich die drei in ein wüst als Trio zurechtgezimmertes „Dein ist mein ganzes Herz“ aus Franz Lehars „Land des Lächelns“ stürzen.

Die Badische Staatskapelle unter Marco Armiliato begleitet so gut es in einem solchen Rahmen eben geht. Das Publikum ist es zufrieden und tobt vor Begeisterung, wie auch bei solchen Anlässen gang und gäbe. Ganz humorig ist es zu beobachten, wie die Künstler hinter den Kulissen miteinander umgehen und blödeln.

Wem vor solchen Konzerten nicht von vornherein aus Langweile das Gähnen kommt, also seinen oder ihren Liebling in dem Konzert noch dazu mit der einen oder andern Rollenrarität hören möchte und dies in akustisch optimaler Form, der kann ja – Technik sei Dank – die etwas unliebsameren Tracks noch immer überspringen. Kaufmann und Harteros bieten ja doch einiges, was das Opernherz durchaus höher schlagen lassen kann.






 
 
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