NDR kultur, CD der Woche, 16.10.2015
Vorgestellt von Dagmar Penzlin
 
Ein Fest für Freunde der italienischen Oper
Was noch vor gut zwei Jahrzehnten eher Standard war, ist heute rar geworden: die Gesamtaufnahme von Opern im Studio. Heute werden meistens Live-Aufführungen aufgezeichnet und daraus eine Gesamtaufnahme geschnitzt. Verständlich, dass eine Studio-Produktion von Giuseppe Verdis "Aida" Aufsehen erregt. Zumal, wenn die Besetzung so vielversprechend ist: mit Anja Harteros in der Titelpartie und Jonas Kaufmann als Radames.

Glühende Musik

Aida sehnt sich nach ihrer Heimat. Kriegswirren haben sie, die äthiopische Prinzessin, zur Sklavin gemacht. Zusätzlich verliebt sie sich auch noch in den Ägypter Radames, den Heerführer ihrer Feinde, und er sich in sie. Giuseppe Verdi hat in dieser Oper seine jahrzehntelange Erfahrung nutzen können, um das Aufeinanderprallen von persönlichen Gefühlen und politischen Zwängen darzustellen: mittels einer Musik, die glüht. Ein Werk wie geschaffen für zwei der herausragenden Verdi-Stimmen der Gegenwart: Anja Harteros zeichnet Aida berührend in ihrer ganzen Zerrissenheit, und Jonas Kaufmann verleiht Radames glaubhaft Gestalt - ein aufrechter Kämpfer, der eben auch für seine große Liebe bereit ist zu sterben.
Herausragende Solisten und ein echter Opernmaestro

Sowohl Kaufmann als auch Harteros hatten zum Zeitpunkt der "Aida"-Aufnahme ihre Partien noch nicht auf der Bühne gesungen; Kaufmann hat erst vor Kurzem in München sein umjubeltes Bühnendebüt als Radames gegeben. Doch der Tenor ist solch ein erfahrener Verdi-Sänger, dass ihm schon im Studio ein zwingendes Porträt des leidenschaftlich liebenden Mannes gelungen ist - eben allein mit seiner Gesangskunst. Er hat in seiner Stimme das Virile, Auftrumpfende ebenso wie weiche, verschattete Farben. Und so meistert Kaufmann besser als so mancher seiner historischen Vorgänger in dieser Partie auch jene Details, die Verdi in seiner ausgeklügelten Partitur notiert hat. Zum Beispiel das hohe B am Ende von Radames' Romanze, notiert als zweifaches Pianissimo, langsam verklingend.

Harteros gestaltet die Titelpartie ähnlich intensiv, und man spürt, dass sie und Kaufmann schon häufig gemeinsam auf der Bühne standen. Abgesehen von ein paar etwas grell geratenen Spitzentönen, gestaltet die Sopranistin ihre Partie eindringlich und facettenreich.

Alle Feinarbeit des insgesamt stimmigen Gesangsensembles würde natürlich nicht wirken ohne einen echten Opernmaestro am Pult, wie Antonio Pappano einer ist. Der versierte Kenner gerade der italienischen Oper versteht es, die Energie von Verdis zugespitzter Dramatik zu entfesseln. Aus den Details der Partitur heraus, immer in Balance mit dem Gesang. Chor und Orchester der Accademia Nazionale di Santa Cecilia sind ebenfalls in Topform. Große italienische Oper - hier wird sie zum Ereignis.






 
 
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