NDR Kultur, Hörprobe, 1. Juli 2005
Vorgestellt von Marcus Stäbler
 
Carl Maria von Weber: Oberon
Ausführende:
Steve Davislim, Tenor
Hillevi Martinpelto, Mezzosopran
Jonas Kaufmann, Tenor
Orchestre Revolutionnaire et Romantique
Ltg.: John Eliot Gardiner
Erschienen bei:
Philips
Carl Maria von Webers Oper "Oberon" gilt gemeinhin als eher schwaches Stück. Die Dialoge sind flach und krampfhaft komisch, die Figuren flach gezeichnet, und überhaupt: ein schlechtes Libretto - so das gängige Urteil der Musikwissenschaft. Der Dirigent John Eliot Gardiner versucht nun eine Ehrenrettung des Stücks - mit der ersten Gesamteinspielung in der englischen Originalsprache.

Von Webers Musik gefangen nehmen lassen

John Eliot Gardiner hat den "Oberon" schon in drei verschiedenen Inszenierungen dirigiert - und ist immer noch ein Fan des Stücks. Irgendwas scheint also doch dran zu sein an der 1826 uraufgeführten Oper über treue Menschenliebe, mächtige Elfen und magische Zauberhörner. Aber was? Man müsse sich eben einfach von Webers Musik gefangen nehmen lassen, rät der Dirigent in seinem Beitrag zum umfangreichen Booklet der CD.

In der Tat findet Carl Maria von Weber hier, wenige Monate vor seinem frühen Tod, zu einer ungemein reizvollen, farbigen und sehr plastischen Klangsprache. Nicht selten zitiert er Mendelssohns Elfen-Tonfall - könnte man fälschlicherweise annehmen, wenn nicht umgekehrt der viel jüngere Mendelssohn sich so einiges bei Weber abgeguckt hat!

Auch sonst nimmt Oberon viele spätere Entwicklungen vorweg: Richard Wagner zum Beispiel dürfte bei der einen oder anderen Stelle ziemlich genau hingehört haben. Und auch Berlioz hat bei Weber sicher viele Anregungen für seine Instrumentationskunst bekommen. Zum Beispiel in der wilden Sturmmusik des zweiten Aktes.

Neben den sehr lebendigen Tonmalereien gelingen Weber vor allem die zarten, lyrischen Momente ganz besonders schön. Zu hören etwa in Reizas Kavatina "Mourn thou", in der sie ihr Schicksal als frisch gefangene Haremsdame beklagt.

Hellwach und spannungsvoll dirigiert

Dass diese vielen herrlichen Arien mit ihren teilweise traumhaft schönen Themen so geschmeidig ins Ohr gehen, liegt natürlich auch an den Interpreten. Gardiner dirigiert nicht nur hellwach und spannungsvoll, sondern hat auch ein vorzügliches Solistenensemble mit drei herausragenden Protagonisten zur Seite. Dem höhensicheren Tenor Steve Davislim als Oberon, Mezzosopran Hillevi Martinpelto als hinreißende Kalifentochter Reiza und Jonas Kaufmann als Ritter Hüon mit unglaublich schönen pianissimi.

Bleibt noch die Handlung. Die ist wirklich stellenweise albern und nicht besonders glaubwürdig, obwohl ein neu eingefügter Sprecher ein bisschen hilft. Am Ende wird jedenfalls alles gut, so viel ist mal klar. Aber der Text ist ja sowieso englisch und stört nicht weiter beim Genuss der wirklich großartigen Musik.






 
 
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